Prozess:Jugendliche überfallen vermeintlichen Dealer - Strafen ohne Bewährung

Vier zum Teil vermummte Täter stürmen die Wohnung eines Mannes, weil sie Drogen von ihm erbeuten wollen. Der schlägt sie mit ihrer eigenen Waffe in die Flucht.

Von Thomas Daller, Erding

Verbrechen im Drogenmilieu werden selten bei der Polizei angezeigt, weil dabei auch noch andere Straftaten ans Licht kommen könnten. Als geradezu klassisch gilt der Überfall auf einen Dealer. Am zweiten Herbstfestsonntag vergangenen Jahres hat in Klettham so eine Straftat stattgefunden. Vier junge Männer, bewaffnet mit einem großen Küchenmesser, wollten Drogen und Geld rauben. Der Überfall ging schief, der vermeintliche Dealer ging zur Polizei und nun sind zwei der vier Täter zu Jugendstrafen von zwei Jahren und acht Monaten sowie zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden.

Die beiden Angeklagten, 19 und 20 Jahre alt, sind keine unbeschriebenen Blätter. Beide haben schon etliche Jugendstrafen erhalten; unter anderem wegen Diebstahls, Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, wegen Hehlerei und Körperverletzung. Der 20-Jährige war in den Wochen vor der Tat mehrmals bei einem 23-Jährigen in dessen Wohnung in Klettham, von dem er Drogen kaufen wollte. Der 23-Jährige lehnte jedoch ab, weil er keine Drogen habe. Am 6. September 2015 fassten die Angeklagten und zwei unbekannte Mittäter spontan den Entschluss, den 23-Jährigen zu berauben.

Die erbeuteten Drogen, so der Plan, wollte man teilen und selbst konsumieren. Der 20-Jährige wurde vorgeschickt, weil er das Opfer kannte. Der 23-Jährige ließ ihn erneut in seine Wohnung, aber als sich der Angeklagte nach Drogen erkundigte, blitzte er wieder ab. Unter einem Vorwand ging er dann zur Tür und ließ seine Mittäter hinein. Diese drei Mittäter hatten sich vermummt, indem sie ihre Kapuzenpullis bis zur Nase hoch- und die Kapuze bis zu den Augen heruntergezogen hatten. Einer der drei hatte ein Küchenmesser in der Hand mit 20 Zentimetern Klingenlänge.

Der Mann mit dem Messer forderte den 23-Jährigen auf, sich auf den Boden zu legen. Das tat er aber nicht, sondern packte seinerseits ein griffbereites Messer in seiner Wohnung und setzte sich auf sein Bett. Der Vermummte mit dem Messer zog dann eine Show ab und warf das Messer von einer Hand in die andere. Dabei stellte er sich so tollpatschig an, dass ihm die Waffe entglitt und auf das Kissen fiel. Der 23-Jährige griff geistesgegenwärtig danach, hatte dann zwei Messer und vertrieb mit lautem Geschrei die Angreifer aus seiner Wohnung. Dann erstattete er Anzeige bei der Polizei.

Für ihn war klar, dass sein Besucher mit den drei Vermummten unter einer Decke steckte. Einen der drei Vermummten habe er mit ziemlicher Sicherheit erkannt. Über die beiden anderen herrscht nach wie vor Ungewissheit. Die beiden Angeklagten wollten sich über deren Identität auch vor dem Schöffengericht nicht äußern, obwohl ihnen der Vorsitzende Richter Michael Lefkaditis einen Strafnachlass dafür in Aussicht stellte.

Die Jugendgerichtshilfe, die mit den beiden schon seit Jahren zu tun hat, stellte den Angeklagten keine gute Sozialprognose, im Gegenteil. Der 20-Jährige sei ein verhätscheltes Scheidungskind mit abgebrochener Berufsausbildung. Er lebe seit Jahren beim Vater, trinke und kiffe. Sein Suchtproblem sei erheblich: Bei den Urinproben, die er abgeben musste, sei nicht eine einzige "sauber" gewesen. Auch die Rückfallgeschwindigkeit seiner Straftaten sei sehr hoch. Ähnlich verhalte es sich mit dem 19-Jährigen: Ebenfalls keine Berufsausbildung, stattdessen auch mehrere Vorstrafen.

Das Schöffengericht verurteilte die beiden Angeklagten zu den genannten Jugendstrafen ohne Bewährung. Dabei flossen noch offene Reststrafen aus früheren Urteilen ein. Richter Lefkaditis empfahl den beiden jungen Männern, sie sollten sich um eine Drogentherapie bemühen. Darüber hinaus sollten sie ihre Zeit in der Jugendstrafanstalt nicht verschwenden, sondern in der Haft eine berufliche Ausbildung beginnen, damit sie anschließend auf eigenen Füßen stünden.

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