Prozess in Landshut:Kein Zweifel an der Schuld

Ein Urteil an "einem schmalen Grat": Eine Mutter, die ihren kleinen Sohn mit in den Tod nehmen wollte, muss drei Jahre und acht Monate ins Gefängnis

Von Alexander Kappen, Landshut/Freising

An der Schuld der 40-jährigen Angeklagten gab es keinen Zweifel. Weil ihr Mann sich von ihr trennen wollte, hatte sie , wie sie in ihrem umfassenden Geständnis am Landshuter Landgericht zugab, am 9. Januar versucht, sich und ihrem fünfjährigen Sohn durch den Kohlenmonoxidausstoß eines im Schlafzimmer angeheizten Holzkohlegrills das Leben zu nehmen. Durch eine glückliche Fügung wachte der Junge in der Nacht auf und klagte über Hitze und schlechte Luft im Raum, woraufhin die Freisingerin den Tötungsversuch abbrach und ihren Sohn ins Kinderzimmer zurückbrachte. Deshalb verurteilte das Schwurgericht unter Vorsitz von Richter Markus Kring sie am Donnerstag nur wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren und acht Monaten Gefängnis. Staatsanwalt Achim Kinsky hatte sechs Jahre wegen versuchten Totschlags gefordert.

Die Angeklagte überlebte wie ihr Sohn, obwohl sie selbst noch bis zum Morgen mit dem Grill im Zimmer schlief. Der Fünfjährige musste wiederbelebt werden, erlitt aber keine bleibenden körperlichen Schäden. Er ist jedoch wie sein Vater, der ihn am nächsten Tag bewusstlos im Kinderzimmer fand, in psychologischer Behandlung.

Die Merkmale eines Mords konnten der Angeklagten nicht nachgewiesen werden. Allerdings stand der Vorwurf des versuchten Totschlags im Raum. Man bewege sich "auf einem schmalen Grat", sagte Verteidiger Joachim Schwarzenau. Entscheidend war, ob die Angeklagte "strafbefreiend vom Versuch des Totschlags zurückgetreten ist", wie es im Juristendeutsch heißt. Anders ausgedrückt: Hat sie freiwillig beschlossen, den Tötungsversuch abzubrechen? Verteidigung und Gericht meinten: ja. Nach Ansicht des Staatsanwalts hatte die Angeklagte den Versuch nicht freiwillig abgebrochen, "sondern deshalb, weil sie keine andere Wahl hatte". Sie wollte, dass ihr Sohn nichts mitbekommt und durch das Kohlenmonoxid ohne Schmerzen stirbt. "Dieser Versuch war durch das Aufwachen des Sohns gescheitert, und sie sah keine andere Möglichkeit, den Plan noch umzusetzen", so der Staatsanwalt. Sie habe aber nicht gesagt: "Ich habe mein Unrecht eingesehen und möchte das nicht mehr."

Der Verteidiger, der auf gefährliche Körperverletzung plädierte und zwei Jahre und zehn Monate beantragte, sah das anders: "Sie hätte ihren Sohn ja auch liegen lassen können, aber das wollte sie nicht, weil er ihr leid tat." Auch nach Ansicht des Gerichts hat der Sohn "nur einmal geklagt und es spricht nichts dagegen, dass die Angeklagte ihn nicht wieder hätte beruhigen und ins Schlafzimmer legen können", sagte Richter Kring: "Aber sie hat das überhaupt nicht versucht."

Die Freisingerin, obwohl laut psychologischem Gutachten schuldfähig, habe sich aufgrund ihrer besonderen Wertvorstellungen von Ehe und Familie durch die bevorstehende Trennung in einer persönlichen Krise befunden. Durch ihre eingeengte Sicht habe sie die Situation als hoffnungs- und ausweglos empfunden, "ihre Empfindungen auf den Sohn übertragen und entschieden, ihn mit in den Tod zu nehmen". Der Richter sprach von einer "geplanten Tat unter psychischer Beeinträchtigung". Zu Lasten der nicht vorbestraften 40-Jährigen spreche, "dass sie das Urvertrauen eines Kindes zu seiner Mutter missbraucht hat".

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