Erding - Die Prozesse in Landshut rund um die Kokaindeals, die aus dem Speiselokal eines Erdinger Trüffelhändlers heraus organisiert wurden, sind vorbei, doch die Ermittlungen gehen weiter. Staatsanwaltschaft und Kripo wollen es zwar nicht offiziell bestätigen. Aber die Nachforschungen der Polizei sind wohl längst grenzüberschreitend in Richtung Italien ausgedehnt worden.
Denn die Namen mehrerer Männer, die offenbar regelmäßig Koks nach Erding gebracht haben, sind Drogenfahndern vertraut. Es kann kaum ein Zufall sein, dass es Namen von bekannten Mafiosifamilien aus den Städtchen San Luca und Locri sind, Hochburgen der kalabrischen Mafia 'Ndrangheta. Auch wenn der Besitzer des Erdinger Lokals und seine kriminellen Mitarbeiter nicht wirklich in die Strukturen der 'Ndrangheta eingebunden waren - dazu wurden in den Verfahren keine Feststellungen gemacht -, bestätigt der Erdinger Komplex aus insgesamt vier Prozessen doch die Erkenntnis, dass insbesondere die kalabrische Mafia ihr Drogengeschäftsfeld auch und gerade in Deutschland sieht.
Als die Ermittlungen der Kripo Erding im Januar 2009 in Erding ihren Anfang nahmen, war an so weitreichende Beziehungen zur international operierenden organisierten Kriminalität nicht zu denken. Die Drogenfahnder der Kripo Erding nahmen das Restaurant in Klettham nach Informationen aus der örtlichen Szene unter die Lupe. Als sie nach monatelangen Telefonüberwachungen und Observationen am 11.November 2009 zur Razzia anrückte, machte die Pressestelle im Polizeipräsidium in Ingolstadt wenig Aufhebens darum. Das Ganze sei "nicht gerade der große Aufmacher", befand der Pressesprecher der Polizei. Aus "ermittlungstaktischen Gründen" bat er sich noch etwas Zeit aus, bis Näheres bekannt gegeben werde.
Als die Pressemitteilung mehr als eine Woche nach der Razzia herauskam, war sie in der Tat wenig spektakulär. Drei Männer waren festgenommen und gerade mal 45 Gramm Kokain sichergestellt worden. Das Einzige, was schon damals auf größere Rauschgiftgeschäfte und einen mindestens semiprofessionellen kriminellen Hintergrund deutete, war die Beschlagnahme von erstaunlich viel Bargeld - 80000 Euro - und einer Pistole vom Kaliber 9. Die alte Wehrmachtswaffe war sorgsam versteckt in einen Sessel eingenäht.
Die Ermittlungen der Erdinger Drogenfahnder bis zur Razzia waren mühsam gewesen. Es gab nur schwer zu verwertende Mitschnitte aus Telefonüberwachungen. Von kiloweise "weißen Trüffeln" war die Rede, von tausenden Euro, die endlich abkassiert werden müssten, weil die Lieferanten ungeduldig würden.
Eindeutig war das alles nicht, denn: Der Erdinger Restaurantbetreiber war tatsächlich Trüffelhändler. Seit Jahren fuhr er durch ganz Bayern und verkaufte die Feinschmeckerpilze an Spezialitätenrestaurants. Sein Kompagnon sagte vor Gericht aus, alle an den Drogengeschäften Beteiligten hätten sogar gewusst, dass die Polizei sie schon seit Monaten im Visier hatte. Und trotzdem hätten sie weiter gemacht. Sie glaubten offensichtlich, sie wären zu schlau für die Erdinger Kriminalpolizei. Vielleicht war ihre Hybris aber auch nur eine Folge ihres eigenen, ständigen Kokainkonsums.Der Pizzabäcker des Lokals verlor schließlich die Nerven und wandte sich an die Polizei. Eine Flucht nach vorn, die ihm nichts brachte. Auch er wurde in Landshut wegen Drogenhandels zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.
Für die Überführung der Erdinger - und ihrer Dachauer Komplizen - waren seine Aussagen jedoch wesentlich. Nachdem er geredet hatte, packten nach und nach auch die anderen aus. Bis zuletzt auch der Erdinger Pizzeria-Wirt und Trüffelhändler sein Schweigen brach. Er bestätigte endlich, einen Tag vor seinem Prozess, die Kontakte zur kalabrischen Mafia und nannte Details und Namen. Ein wichtiger Ansatzpunkt für die Ermittlungen, die noch lange nicht zu Ende sind.