Süddeutsche Zeitung

Politik:"So etwas habe ich noch nie erlebt"

Lesezeit: 3 min

Die Bürgermeisterin von Pastetten muss erstmals einen beschlossenen Haushalt zurückziehen. Der Grund ist letztlich sehr erfreulich: Die Steuereinnahmen sind doch höher als zunächst gedacht

Interview von Regina Bluhme, Pastetten

Seit 17 Jahren ist Cornelia Vogelfänger (CSU) mittlerweile Bürgermeisterin von Pastetten. Doch das hat sie noch nicht erlebt: Vor Kurzem stellte sich heraus, dass die Prognosen für den Einkommenssteueranteil um 817 000 Euro zu gering angesetzt waren. Jetzt wird der Haushalt 2019 zurückgezogen und im Gemeinderat neu beschlossen. Ein Gespräch mit der einst ersten Bürgermeisterin im Landkreis Erding über den unerwarteten Geldsegen, kommende Projekte und die Gründe, warum sie im kommenden Jahr nicht mehr antritt.

SZ: Frau Vogelfänger, am 9. April hat der Gemeinderat mehrheitlich den Haushalt 2019 beschlossen. Ist da nichts aufgefallen?

Cornelia Vogelfänger: Ehrlich gesagt war ich schon erstaunt über den gewaltigen Einbruch beim Einkommenssteueranteil und dem Einkommenssteuerersatz. Mehr als 800 000 Euro weniger, das geht eigentlich nicht.

Wie kam es zu der fehlerhaften Zahl eigentlich?

Die Prognose für die Einnahme war einfach zu gering angesetzt. In Absprache mit der Kommunalaufsicht ziehen wir jetzt den Haushalt zurück und stellen ihn in der Sitzung im Juli neu auf.

Wann haben Sie denn von der Sache mit den 817 000 Euro erfahren?

Dass die Prognose nicht stimmen kann, habe ich eine Woche vor der Bürgerversammlung Anfang Mai erfahren. Und dort habe ich es dann auch öffentlich gemacht.

Wie waren die Reaktionen der Zuhörer?

Überrascht natürlich, es gab schon Unverständnis, aber auch Erleichterung.

Haben Sie schon einmal falsche Prognosen im Haushalt gehabt?

Nein, so etwas wie jetzt habe ich definitiv noch nie erlebt!

Was bedeutet das unerwartete Einnahmeplus für den Haushalt von Pastetten? Das hat Auswirkungen insgesamt. Durch die falsche Prognose mussten wir 600 000 Euro vom Vermögenshaushalt an den Verwaltungshaushalt zuweisen. Unsere Rücklagen waren bis auf 70 000 Euro aufgebraucht. Das sieht jetzt wieder ganz anders aus. Und das wirkt sich auf die Investitionen und die Kreditaufnahmen aus.

Sie haben nach dem Bau der A 94 ein neues Gewerbegebiet plus Tankstelle. Wie sieht es denn mit Gewerbesteuern aus?

Das ist noch nicht so viel. Im Haushalt 2019 haben wir 160 000 Euro eingesetzt, aber es wird sicher mehr werden. Es läuft gut und es ist sicher zukunftsträchtig.

Wer hat sich dort angesiedelt?

Die Tankstelle und die Pension, die demnächst vergrößern wird, werden sehr gut angenommen. Wir haben dort eine gute Mischung, vom Trockenbauer bis zum Möbelhersteller. Alle Gewerbetreibenden, die sich dort ansiedeln wollten, mussten sich im Gemeinderat vorstellen und wir hatten auch zwei ganz große Kriterien: Arbeitsplätze und Ausbildungsstellen.

Die Autobahn hat viel verändert.

Ja, ich war bei der Eröffnung dabei, mit einem lachenden und auch einem weinenden Auge, denn es wurde viel Natur zerstört. Ein anderes Beispiel: Die Bewohner von Poigenberg müssen jetzt über eine Autobahnbrücke nach Pastetten, die Steigung ist für ältere Menschen mit dem Rad gar nicht zu schaffen. Wer nicht mehr Auto fährt, der ist jetzt auf andere angewiesen. Das nimmt ein Stück Selbständigkeit.

Sie haben angekündigt, dass Sie im kommenden Jahr nicht mehr kandidieren. Warum hören Sie nach 18 Jahren auf?

Das Amt ist toll, unglaublich abwechslungsreich. Aber die Arbeit wird von Jahr zu Jahr zeitaufwendiger und die Bürger fordernder. Ich möchte einfach noch mehr Lebenszeit mit meinem Mann und den drei Enkelkindern verbringen.

Welche Projekte wollen Sie noch abarbeiten?

Zwei neue Feuerwehrhäuser, die Sanierung der alten Schulturnhalle, dann sind Maßnahmen für den Hochwasserschutz in Planung, wir haben auch ein Konzept "Älter werden auf dem Land" mit eventuell einer Einrichtung in Forstern und, was ich auch ganz wichtig finde, ist der Kommunale Wohnungsbau, der gerade jungen Familien erschwingliche Mieten bieten soll. Diese Themen hätte ich gerne im Gemeinderat noch in trockene Tücher gebracht.

Als Sie vor 17 Jahren ins Amt gewählt wurden, waren Sie die erste Frau im Landkreis, die ein Rathaus erobert hat.

Ich war damals Bezirksrätin und Ortsvorsitzende der CSU und da hat mein Vorgänger im Amt gesagt, ich solle kandidieren. Im Nachhinein bin ich mir nicht mehr so sicher, ob er von der Idee auch wirklich so überzeugt war, aber: Ich habe dann eine lange Liste geschrieben mit Dingen, die ich gerne anpacken würde, habe mich mit meinem Mann und den beiden Töchtern beraten und dann ja gesagt. Und kurz darauf gab es zwei weitere Kandidaten: einen Feuerwehrkommandanten und einen Handwerksmeister.

Keine leichten Gegner.

Und dann bin ich auch noch eine gebürtige Rheinländerin! Aber ich bin von Haus zu Haus und habe mich vorgestellt und bin ohne Stichwahl ins Amt gewählt worden.

Haben Sie nicht hin und wieder mit der CSU gehadert beim Thema Frauen in Führungspositionen?

Mittlerweile hat sich da viel verändert. Ich bin ehrlich gesagt kein Freund einer Frauenquote, ich bin mehr für Qualität denn Quantität. Ich finde schon, dass Frauen anders führen, mit mehr Anspruch, auch an sich selbst.

Aber anfangs war es sicher nicht leicht.

Ich weiß noch, dass ein Parteikollege beim Thema Bürgermeisteramt zu mir gesagt hat: "Cornelia, Pastetten ist noch nicht reif für eine Frau."

Was haben Sie geantwortet?

Meine Antwort war kurz: "Ich glaub schon."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4455106
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.05.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.