Poing:Die fremden vier Wände

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Jährlich lockt das Bauzentrum 75 000 Besucher nach Grub. An diesem Wochenende feiert die Musterhaussiedlung ihr 20. Jubiläum

Von Andreas Junkmann

Von den Kronen der Bäume herab dringt vielstimmig das Gezwitscher der Vögel, emsige Insekten verrichten ihre Arbeit in den Blumenbeeten und auf den Rasenflächen ziehen Mähroboter leise surrend ihre Kreise. Vereinzelt schlendern junge Familien durch die Straßen, Autos sind weit und breit keine zu sehen. Diese Szene - inmitten akkurat gepflegter Vorgärten, mit kleinen Teichen und Buchsbäumen, die allen Anschein nach fast täglich eine Maniküre mit der Nagelschere bekommen - ist wie ein Vorstadtidyll aus dem Bilderbuch. Aber irgendwas stimmt hier nicht. Es sind die Häuser, die dem Ganzen den Schein des Unwirklichen verleihen. Jedes auf seine Art besonders, passen sie im Gesamtbild einfach nicht zusammen. Doch genau diese Vielfalt ist es, weswegen jedes Jahr Tausende Besucher hierher strömen - in das Bauzentrum Poing.

Vor allem junge Familien lassen sich im Bauzentrum von den ausgestellten Häusern inspirieren. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Musterhaussiedlung am westlichen Ende des Ortsteils Grub feiert an diesem Sonntag ihr 20. Jubiläum. Noch immer ist der Andrang auf das von der Messe München betriebene Ausstellungsgelände enorm. Vor allem Familien kommen teils von weit her, um sich von den rund 60 Häusern inspirieren zu lassen - und auch, um ein bisschen ins Träumen zu geraten. Etwa 75 000 Besucher lockt das Bauzentrum jährlich an. "Unser Einzugsgebiet ist ganz Süddeutschland", sagt Projektleiterin Vera Scherfer. Vor allem an den Wochenenden herrsche hier Hochbetrieb. Kein Wunder, denn auf der riesigen Fläche gibt es schließlich so einiges zu entdecken.

Die Objekte sind top gepflegt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein mit dunkelgrauen Platten gepflasterter Gehweg führt vorbei an frisch gemulchten Pflanzenbeeten hin zu einem Haus, das komplett aus Massivholz gebaut ist. An der Glasfront neben der schweren Eingangstür hängt ein Schild mit der Aufschrift "Willkommen". Die Holzbauweise setzt sich auch im Inneren des voll eingerichteten Gebäudes fort, bis in die Küche, wo bereits ein Mann auf die Besucher wartet. Es ist Herwig Salzer, der für einen Häuserhersteller vom Chiemsee als Verkaufsberater arbeitet. Seit etwa drei Jahren stehe dieses Haus nun hier im Bauzentrum, sagt Salzer. Aufgebaut worden sei es zwar in drei, vier Tagen, aber in der Inneneinrichtung, da stecke viel Herzblut drin. "Man muss das Haus als eine Art Nukleus sehen", sagt Salzer. Er meint damit, dass kaum jemand das Gebäude genau so bestellen würde, wie es hier steht. Vielmehr soll es als eine Inspirationsquelle dienen und in Erinnerung bleiben.

Die Häuser sind mit viel Liebe zum Detail eingerichtet und protzen mit moderner Technik – wie Fingerabdruck-Scannern an den Türen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

So sieht man das auch bei einem anderen Unternehmen, das bei seinen Häusern auf komplett ökologische Bauweise setzt. "Natürlich wird bei einem Musterhaus immer geklotzt. Wenn die Leute rausgehen, sollen sie das Haus nie mehr vergessen", erklärt Günter Hepp, der eine Allgäuer Firma vertritt. Dieses Gefühl zu erzeugen, dürfte dem Verkaufsberater bei seinem Objekt nicht allzu schwer fallen. Denn das Badezimmer gleicht mit seiner freistehenden Wanne und der gemauerten Dusche mit angrenzender Sauna eher einem Spabereich, der Hobbyraum ist mit Yogaecke und einer kleinen Kletterwand ausgestattet - und der Fußboden besteht komplett aus naturbelassener Kernesche, die einen intensiven Holzduft im ganzen Haus verbreitet.

Unterschiedliche Baustile sorgen für Abwechslung beim Rundgang. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

All dieser Luxus hat natürlich seinen Preis. Für das etwa 170 Quadratmeter große Fertighaus muss man - mit allen Extras - knapp 800 000 Euro auf die Tischplatte aus Muschelkalk legen. "Hochpreisiges Segment", nennt das Bauzentrum-Leiterin Vera Scherfer.

Um Kunden anzulocken, stecken die Firmen viel Mühe in die Einrichtung der Häuser, die bis ins letzte Detail durchgeplant sind: Von den farblich abgestimmten Kissen auf dem Sofa, bis hin zu den gesammelten Werken von Wilhelm Busch in sechs Bänden, die fein säuberlich im Wohnzimmerschrank stehen. Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Die Besucher sollen sich wohlfühlen - wie zu Hause eben.

Freilich müssen die ausgestellten Gebäude aber schon noch etwas mehr bieten als nur Wohlfühlatmosphäre. Und hier kommt moderne Technik ins Spiel. Kaum ein Modellhaus im Bauzentrum lässt sich nicht vollständig digital steuern. Meist sind die kleinen Touchdisplays im Eingangsbereich angebracht, von wo aus sich von der Waschmaschine bis zur Alarmanlage alles regulieren lässt. Das hier sei eine Smart-Home Komplettanlage, erklärt Berater Michael Ebersberger, während er mit ein paar Klicks auf dem Display den Wetterbericht aufruft, der für die automatische Steuerung der Jalousien von Bedeutung ist. "Wenn man sich für eine solche Kommunikationseinheit entscheidet, muss man vorher ein zweitägiges Seminar machen", sagt Ebersberger. Auch wenn der Verkaufsberater dabei lächelt, er meint das ernst.

Wer sein Haus digital aufrüsten möchte, muss allerdings etwas tiefer in die Tasche greifen. Etwa 30 000 Euro sind für das Komplettpaket fällig. Andere technische Spielereien gehören dagegen fast schon zur Standardausstattung, etwa Haustüren ohne Schlüsselloch, die sich nur per Chipkarte öffnen lassen - oder mit Hilfe eines Fingerabdruck-Scanners.

Um stets auf dem neusten Stand zu bleiben, müssen die Aussteller ihre Häuser regelmäßig modernisieren. Die Parzellen mieten sie von der Messe München, wie sie sich präsentieren ist den Firmen selbst überlassen. "In der Regel ist es aber so, dass die Häuser alle acht Jahre ausgetauscht werden", sagt Bauzentrum-Chefin Scherfer. Ein Gebäude allerdings - eine Konstruktion aus dunklem Holz und großflächigen Glasfassaden - steht bereits seit der Gründung vor 20 Jahren in der Musterhaussiedlung. "Das sind einfach Elemente, die nach wie vor gefragt sind. Glas und Holz geht immer", so Scherfer.

Ansonsten versuchen sich die Aussteller von einander abzuheben, indem sie sich auf eine bestimmte Zielgruppe spezialisieren. "Alt und jung rutschen immer mehr zusammen. Gerade auf dem Land", sagt etwa Christian Miller, dessen Firma vor allem Mehrgenerationenhäuser verkauft. Ein anderer Hersteller wiederum versucht wohnen und arbeiten zu verbinden, indem er Häuser mit integrierten Büroräumen anbietet.

Die Musterhaussiedlung lebt von eben dieser Vielfältigkeit, die seit Jahren unzählige Besucher ins beschauliche Grub lockt. An diesem Sonntag wollen die Betreiber ihren Gästen deshalb ein ganz besonderes Jubiläum bereiten. Auf dem Ausstellungsgelände wird es ein Familienfest mit Live-Musik geben. Zudem blickt eine Diskussionsrunde - an der neben Poings Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) unter anderem auch Reinhard Pfeiffer, stellvertretender Vorsitzender der Messe München, teilnehmen wird - zurück auf 20 Jahre Bauzentrum Poing.

© SZ vom 25.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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