Fünf Kisten voll mit Plänen und Aktenordnern, das ist eine Menge Papier. Noch dazu sind es höchst technische Dinge, die in den Planunterlagen für den Ausbau der Strecke München – Mühldorf – Freilassing stehen. Es geht um den Abschnitt zwischen Markt Schwaben und dem östlichen Rand der Gemeinde Walpertskirchen, für den das Planfeststellungsverfahren bereits läuft. Vom kommenden Montag an werden die Unterlagen im Rathaus in Hörlkofen „öffentlich ausgelegt“, wie das formal-bürokratisch heißt. Die Auslegung findet zeitgleich auch digital auf der Internetseite des Eisenbahnbundesamts statt.
Alle Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Gemeindeverwaltungen der in diesem Fall tangierten Kommunen Ottenhofen, Wörth und Walpertskirchen haben vier Wochen Gelegenheit für ein mehr oder weniger intensives Aktenstudium. Bis August hat man danach noch Zeit, Einwände gegen bestimmte Details zu erheben oder – hierzu sind die Gemeinden aufgefordert – eine offizielle Stellungnahme abzugeben.
„Sich mit so einer technischen Sache zu befassen, ist schon sehr herausfordernd“, sagt Thomas Gneißl (FW), Bürgermeister der Gemeinde Wörth. Das ist natürlich völlig untertrieben. Wie sollte jemand in vier Wochen die Unmengen an Unterlagen durcharbeiten und auf mögliche Problemstellen durchsuchen? Auch für erfahrene Verwaltungsprofis ist das nicht zu schaffen. „Wir werden eine relativ grob gehaltene Stellungnahme abgeben“, sagt Gneißl schon jetzt, wobei man es aber nicht an Deutlichkeit fehlen lassen möchte. „Wir sehen das Thema sehr kritisch“, betont er.
Denn kurz gesagt bringt der Bahnausbau den Menschen in seiner Gemeinde nicht unbedingt Vorteile. In Hörlkofen werden nach dem Bahnausbau keine Regionalzüge mehr halten, stattdessen wird eine neue S-Bahnlinie über Markt Schwaben hinaus nach Dorfen geschaffen. Die mag zwar insgesamt öfter fahren, am Morgen fällt das Angebot aber wohl geringer aus als bisher. Und sicher ist, dass die Fahrzeit mit der S-Bahn nach München länger sein wird als bislang mit einem Regionalzug.
Überhaupt sollen später sehr viel mehr Züge auf der Strecke fahren als aktuell. Das heißt auch, es wird mehr Lärm geben. Die Planer der Deutschen Bahn weisen zwar stets darauf hin, dass es erstmals mit dem Ausbau auch Lärmschutz geben wird. Doch ob das für die Menschen, die in Außenbereichen leben, genauso gilt, ist fraglich. Der Anspruch auf Lärmschutz ist genau geregelt. Für Wohngebiete gelten dabei andere Grenzwerte als für Dorfgebiete, Weiler oder Einöden.
Der Bahnausbau bringt den Gemeindebürgern keine Vorteile, belastet aber die kommunalen Haushalte
Nicole Schley (SPD), Bürgermeisterin von Ottenhofen, hat dazu von der Deutschen Bahn wenig befriedigende Aussagen erhalten. Zum Lärmschutz habe man bislang nur zu hören bekommen, „wenn ihr den wollt, müsst ihr den schon selber bezahlen“. Dabei habe Ottenhofen vom Bahnausbau rein gar nichts außer Lärm zu erwarten. „Wir haben keinen Haltepunkt an der Strecke“, sagt Schley. Neben dem Lärmthema befürchtet man mögliche Beeinträchtigungen des Wasserschutzgebiets.
Eine richtige „Verarsche“ sei aber vor allem der Neubau von zwei bestehenden Bahnunterführungen. Schley macht ihren Unmut an der Unterführung bei Unterschwillach deutlich. Diese ist aktuell 4,18 Meter schmal, alles andere als zeitgemäß. Eine neue, ordentliche Straße mit einem Geh- und Radweg müsste 11,26 Meter breit werden. Die Gemeinde muss aber den Löwenanteil übernehmen, weil die Deutsche Bahn nur den Neubau bis 4,18 Meter zahlen muss – obwohl so eine schmale Unterführung rechtlich heutzutage gar nicht mehr erlaubt ist. „Wir werden auf alle Fälle klagen“, sagt Bürgermeisterin Schley.
Die Gemeinde Walpertskirchen ist nur am östlichen Rand vom Planungsabschnitt 1.2 betroffen. Das kleine Stück aber hat es in sich. Bürgermeister Franz Hörmann (CSU), wird richtig sauer, wenn er darüber spricht. Seine Gemeinde bekommt durch die Planung eine „monströse Brücke“ aufs Auge gedrückt, die es vorher nicht gab. Die Riesenbrücke ist der Ersatz für den Bahnübergang Rottmanner Straße. Der liegt auf Hörlkofener Flur, also in der Gemeinde Wörth. Die Ersatzbrücke aber wird so weit nach Osten geschoben, dass sie auf Walpertskirchener Gebiet liegt. Hörmann schätzt, dass die geplante Brücke wohl einen zweistelligen Millionenbetrag kosten wird. Seine Gemeinde muss zwar dank der Novellierung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes nicht mehr ein Drittel der Baukosten zahlen. Doch nach der Fertigstellung – und das ist nach wie vor geltendes Gesetz – muss die Kommune bis zum Rest aller Tage sich um die Brücke kümmern.
„Dagegen werden wir uns mit allen rechtlichen Mitteln wehren“, sagt Bürgermeister Hörmann. Es sei unter keinen Umständen akzeptabel, dass seine Gemeinde die Unterhalts- und Instandhaltungskosten für die Brücke übernehmen soll. Eine Brücke, die es vorher nicht gegeben und die Walpertskirchen nie bestellt hat. „Was ist, wenn wir die in 15 Jahren sanieren müssen?“, fragt Hörmann. Das werde irre teuer für seine kleine Gemeinde, die dann wohl Spezialfirmen, Sicherheitskonzepte und Schienenersatzverkehr bezahlen müsste.
Bürgermeisterkollege Thomas Gneißl hält die Sache für genauso inakzeptabel: „Da hört unser Verständnis auf.“ Solche und andere Themen zeigten, wie wichtig es sei, sich trotz der Menge an Akten, die Planunterlagen anzuschauen. Denn nur wer sich danach mit seinem konkreten Einwand schriftlich zu Wort meldet, kann später gegebenenfalls vor dem Verwaltungsgericht klagen.
Öffentliche Auslegung vom 10. Juni bis 7. Juli im Internet unter www.eba.bund.de/anhoerung und im Rathaus Hörlkofen zu den üblichen Öffnungszeiten.