Süddeutsche Zeitung

Öffentlicher Nahverkehr:Schreiners Dilemma

Die neue Kostenaufteilung bei einer Taktverdichtung des Busverkehrs hat Klärungsbedarf zur Folge: Der Landkreis prüft, ob Kommunen ausscheren können, die ihren Nutzen für fragwürdig halten

Von Thomas Daller, Landkreis

Obwohl der Landkreis die jährlichen Ausgaben für den Busverkehr seit 2003 verdoppelt hat, sind die Fahrgastzahlen im Verhältnis zur Bevölkerung sogar zurückgegangen. Daher hat der Strukturausschuss im Mai vergangenen Jahres beschlossen, dass sich die Kommunen an den Kosten beteiligen sollen, wenn sie Fahrplanwünsche haben. Aber auch dieses neue Konzept hat Schwachstellen, wie ein aktuelles Beispiel einer Taktverdichtung auf der Regionalbuslinie 562 zeigt.

Die Buslinie verbindet Taufkirchen und Erding. Am Wochenende gibt es jedoch Lücken im Fahrplan von mehr als vier Stunden. Selbst in manchen strukturschwachen Regionen ist das ÖPNV-Angebot besser, immerhin ist die Gemeinde Taufkirchen ein Mittelzentrum. Die Taufkirchener haben bereits ein Mobilitätskonzept in Auftrag gegeben und beim Landkreis den Antrag gestellt, samstags und sonntags den Takt zu verdichten. Profitieren würden davon auch die Gemeinden Inning, Fraunberg und Bockhorn, die ebenfalls angefahren würden.

Im Strukturausschuss, der sich am Mittwoch mit den Fahrplanwünschen für 2020 befasst hat, gab es allerdings ein Problem: Taufkirchen, Inning und Fraunberg sind mit der vorgesehenen Kostenbeteiligung einverstanden, Bockhorn jedoch nicht. Der Bockhorner Bürgermeister Hans Schreiner (FW), der Mitglied des Strukturausschusses ist, erklärte die Ablehnung der Kostenbeteiligung damit, dass diese Linie aus Sicht seiner Gemeinde "überörtlicher Verkehr" sei. Durch Bockhorner Gemeindeflur verlaufen sowohl die B 388 nach Taufkirchen als auch die Staatsstraße 2084 nach Dorfen. Bei jeder neuen Busverbindung, die auf diesen Straßen fährt, müsste Bockhorn mitzahlen. Schreiner zufolge sei es nicht fair, Bockhorn als "Durchgangsgemeinde" zur Kasse zu bitten, wohingegen der Zielort Erding, der von solchen neuen Linien auch profitiere, sich nicht an den Kosten beteiligen müsse.

Aber weil es diesen Beschluss des Strukturausschusses zur Kostenbeteiligung jener Gemeinden nun mal gibt, die von einer neuen Linie profitieren, war Schreiners Standpunkt politisch brisant. Denn da er Landratskandidat der Freien Wähler, der Grünen und der SPD ist, muss er auch die Belange des Landkreises im Auge behalten. Und eine bessere Anbindung Taufkirchens, Fraunbergs und Innings zu verhindern, weil Bockhorn die Kosten scheut, würde man im Wahlkampf gegen ihn verwenden können. Vor allem, weil ein besserer ÖPNV eines seiner Hauptwahlkampfthemen ist.

Im Strukturausschuss zeichneten sich zwei Auswege aus diesem Dilemma ab. SPD-Kreisrat Michael Gruber schlug vor, dass diese zusätzlichen Busverbindungen am Wochenende die Haltestellen in Bockhorn nicht anfahren sollten. Das hätte auch den Vorteil, dass man eine schnellere Busverbindung, einen "Expressbus" anbieten könnte. "Wenn sie mitzahlen, bleiben wir stehen, wenn nicht, nicht", sagte Gruber. Die CSU fand Grubers Vorschlag "ganz vernünftig"; Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) versprach, prüfen zu lassen, "ob wir das mit unseren Richtlinien hinbekommen".

Die zweite Möglichkeit bestünde darin, dass Schreiner das Thema in der nächsten Bockhorner Gemeinderatssitzung auf die Tagesordnung setzt und man dort doch noch der Kostenübernahme zustimmt. Doch die Zeit drängt: Am 10. Oktober ist Deadline, denn danach gehen die neuen Fahrpläne in Druck. Schreiner sagte, das sei zu schaffen, die nächste Sitzung sei Anfang Oktober. Auch Landrat Bayerstorfer war der Meinung, "man sollte Bockhorn die Chance geben, noch mal abzustimmen". Ludwig Kirmair (CSU) betonte, "wenn eine Gemeinde sagt, das bietet für uns keinen Vorteil", müsse man das berücksichtigen: "Der politische Wille für mehr ÖPNV ist ja vorhanden, aber wir müssen auch praktikable Lösungen suchen." In den nächsten zwei Wochen zeigt sich, welche davon umgesetzt wird.

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Quelle:
SZ vom 20.09.2019
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