Süddeutsche Zeitung

Flughafen München:Streit um ein Storchennest für Schwaig

Die Gemeinde Oberding will den Kirchturm St. Korbinian für einen Horst präparieren. Das Luftamt lehnt die Pläne wegen der Nähe zum Flughafen München entschieden ab. Auch der Landesbund für Vogelschutz ist nicht begeistert - aber aus ganz anderen Gründen.

Von Regina Bluhme, Oberding

Im Schaukasten vor der Kirche St. Korbinian in der Oberdinger Ortschaft Schwaig hängt neben den Terminen für Maiandacht und Kinderchor auch ein Schreiben des Luftamts Südbayern. Es geht um das geplante Storchennest auf dem Kirchturm. Der Gemeinderat will für die laufenden Renovierungsarbeiten nur dann einen Zuschuss gewähren, wenn am Turm eine Vorrichtung für einen Nistplatz angebracht wird. Das Luftamt lehnt die Pläne wegen der Nähe zum Flughafen München entschieden ab. Auch der Landesbund für Vogelschutz ist nicht begeistert, aber aus ganz anderen Gründen.

Bis vor einigen Jahren habe es immer Störche in der Ortschaft gegeben, sagt Gemeinderat Rainer Hellinger (Wählergruppe Schwaig). So soll es wieder sein. Um in der Sache ein wenig Druck zu machen, hat der Gemeinderat die Zustimmung zum Renovierungszuschuss in Höhe von 8000 Euro an ein Storchennest gekoppelt. Die Gelegenheit sei günstig, betont Initiator Rainer Hellinger: Jetzt sei der Kirchturm ohnehin eingerüstet und könne für eine Storchenbleibe präpariert werden. "Jeder freut sich, wenn er Störche sieht."

Wohl doch nicht jeder, zumindest nicht, wenn sich das Nest auf einem Kirchturm keine zwei Kilometer südöstlich des Airports befindet. Johann Weihmayr, Verwaltungsleiter des Pfarrverbands Erdinger Moos, erklärt auf Nachfrage, dass bei dem Thema grundsätzlich verschiedene Stellen abzufragen seien, unter anderem für Fragen des Denkmalschutzes oder der Statik - oder eben auch der Flugsicherheit.

Luftamt verweist auf ein "menschengemachtes Gefährdungspotenzial"

Das Luftamt lehnt in seiner Antwort die Errichtung entschieden ab mit Verweis auf die Nähe zur Südbahn: "Da Störche auf ihren täglichen Pendelflügen regelmäßig Höhen von etwa 50 bis 200 Meter nutzen und die Luftfahrzeuge hier in identischen Höhen an- und abfliegen, ist mit einer gesteigerten Vogelschlaggefahr zu rechnen". Zudem besäßen Weißstörche ein Gewicht von drei bis vier Kilogramm. Kurzum: "Die Schaffung eines solchen menschengemachten Gefährdungspotenzials ist zu vermeiden!" Im Schaukasten es ein weiteres Schreiben veröffentlicht. Der Verein DAVVL, der Verband für biologische Flugsicherheit, warnt ebenfalls vor einem Storchenhorst, der sich 1,4 Kilometer südöstlich des Flughafens befinde.

Auch der Landesbund für Vogelschutz ist von den Ansiedlungsplänen gar nicht begeistert. "Wir haben genügend Störche im Landkreis", sagt die Erdinger Kreisvorsitzende Uschi Schmidt-Hoensdorf. 16 Horte gebe es es, das reiche. Es sei nicht notwendig, sie extra wieder anzusiedeln, denn die Vögel seien "Fluch und Segen zugleich". Ein ausgewachsenes Tier fresse bis zu ein Kilo am Tag, gerne Blindschleichen oder Libellen - und diese stehen inzwischen auf der Liste der bedrohten Arten, betont Schmidt-Hoensdorf. Störche seien tolle Tiere und große Sympathieträger, "aber sie räumen in der Landschaft halt auch alles ab". Bis vor wenigen Jahren waren Störche im Artenschutz, hätten sich aber inzwischen sehr gut vermehrt.

Sonnendorf ist stolz auf den Horst

In Oberdings Nachbarort Eitting, in Dorfen, Langengeisling, auch in Erding fühlen sich Störche im Landkreis Erding wohl - in Sonnendorf, Gemeinde Wörth, sogar auf einem Kirchturm. Auf der Homepage der Pfarrei St. Peter Wörth wird mit dem Storchenhorst geworben: "Eine Besonderheit unter unseren Kirchen stellt das Kirchlein in Sonnendorf dar. Schon äußerlich ziert den Turm ein Satteldach statt einer Barockzwiebel und auf dem Turm liegt eine Plattform als Nistplatz für Störche."

Darauf angesprochen, hält sich die Pressestelle der Regierung von Oberbayern bedeckt. Zur Ansiedlung von Störchen im Landkreis lägen dem Luftamt Südbayern keine genaueren Informationen vor, "weder ob diese sich dort natürlich oder durch menschliche Hilfe angesiedelt haben".

So wie es derzeit aussieht, wird es nichts mit dem Storchennest auf dem Kirchturm von St. Korbinian. Das zuständige Pfarrgremium rate von den Plänen ab, sagt Johann Weihmayr. "Das Thema Sicherheit ist uns sehr wichtig." In der Gemeinde Oberding habe man noch keine Rückmeldung, sagt Geschäftsstellenleiter Johann Steinkirchner auf Nachfrage. Wie immer es auch ausgeht: Unbewohnt bleibt der Turm nicht, wie Weihmayr versichert: Die Dohlen dürften dort weiterhin bleiben.

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