Süddeutsche Zeitung

Oberding:Mit Powerpoint und Pokerface

Immer mehr Interessenten für Grundstücke im Gewerbegebiet Schwaig präsentieren sich persönlich im Gemeinderat

Von regina bluhme, Oberding

In Oberding gibt es seit geraumer Zeit den schönen Brauch, dass sich Interessenten für das Gewerbegebiet Schwaig persönlich im Gemeinderat präsentieren. Inzwischen vergeht keine Sitzung, in der nicht zwei - zuletzt sogar drei - Betriebe vorstellig werden. Die Konkurrenz ist also groß, aktuell gibt es für ein einzelnes Grundstück sogar vier Bewerber. Kein Wunder also, dass es in den Castings in der Oberdinger Dreifachturnhalle längst nicht mehr nur um schnöde Mitarbeiter- und Umsatzzahlen geht. Die Interessenten plaudern auch gerne über Familienstand und Vereinszugehörigkeit.

Der Flughafenanrainer Oberding hat in Schwaig ein großes, beliebtes Gewerbegebiet und noch Flächen im Angebot. An der Hallbergmooser Straße zum Beispiel stehen 2500 Quadratmeter zum Verkauf. Akca Cüney möchte dort circa 25 möblierte Appartements mit je 20 bis 25 Quadratmetern für Selbstversorger errichten, die Zimmer wären für einen Zeitraum von drei Tagen bis maximal zwei Wochen zu vermieten. Wie der Bewerber in der jüngsten Sitzung informierte, sind sie gedacht für Praktikanten, Pendler oder - Achtung Oberding - auch für neue Gemeindemitarbeiter während der Wohnungssuche. Eine E-Tankstelle sei geplant. Auf Powerpoint hatte er nicht nur das künftige Gebäude "viel Holz, viel Grün, ein schönes Teil", sondern auch seinen Lebenslauf eingestellt und dabei auf seine Verbundenheit mit dem FC Schwaig verwiesen, wo er als Jugendtrainer tätig war. Mitkonkurrent Erhard Aicher kann ebenfalls mit regionaler Verbundenheit punkten. Der Elektrotechniker wohnt sogar in Schwaig und hat dort bereits Lagerflächen. Jetzt will er sich vergrößern. Er plant eine Halle mit Wohnhaus und benötigt Platz für die Lagerung von Elektromaterial und Elektromaschinen. Er würde sehr gerne in Schwaig bleiben, so Aicher, nicht zuletzt - Oberding aufgepasst - weil er ja bei der örtlichen Feuerwehr ist.

Akca Cüney und Erhard Aicher konkurrieren nun mit der Ludwig Deisböck GmbH, die sich auf Verkauf, Lieferung und Montage von Türen, Toren und Feststellanlagen spezialisiert hat und der Firma Döllel , die Versorgungsanlagen prüft und wartet und Schulungen von Gasversorgungsunternehmen vornimmt.

Auch für die 125 000 Quadratmeter, die Oberding in Schwaig an der Eichenstraße noch im Angebot hat, gibt es einige Interessenten Das Logistikunternehmens Group7 mit Firmenzentrale im Gewerbegebiet Schwaig will dort zehn Hektar Grund von der Gemeinde kaufen für Produktion, Montage und Büros. Firmenchef Günther Jocher hatte die Pläne im Sommer persönlich vorgestellt. Mitte August hatte sich die Geschäftsleitung der Firma Bremberger aus Unterschleißheim, Vater und Sohn, im Gemeinderat samt einer kleinen Produktauswahl zum Mitnehmen präsentiert. Das Unternehmen stellt bedruckte Folien für Verpackungen her, unter anderem für Lebensmittel, Kosmetika oder Pharmaprodukte.

Auch die U2 Holding ist an der Eichenstraße interessiert. Firmenchef Johann Maier war zur jüngsten Sitzung mit seinen drei Söhnen erschienen. Das Familienunternehmen samt Tochterfirma MKL GmbH ist mit Büros und Hallenflächen aktuell Untermieter bei der Group 7. Nun will die Firma für MKL und die 50-prozentige Beteiligungstochter SMS medipool einen neuen Firmensitz errichten. Die Holding ist vor allem im Handel, in Wartung und Produktion von medizinischen Produkten aktiv. Künftig will Maier in die Mundschutzproduktion einsteigen. Masken lasse das Unternehmen derzeit in China anfertigen, etwa zehn Millionen im Jahr. Eine ganze Tüte davon hatten die Maiers gleich zum Mitnehmen für den Gemeinderat mitgebracht. Insgesamt hat die Holding über 500 Mitarbeiter, circa 50 sind es in Schwaig, 85 kämen dazu. "Als gesunde Mittelständler" bezeichnete Maier seine Firmen. Schön und gut, aber Gemeinderat Georg Maier (WG Notzing) wollte dann doch eins wissen: "Wie schaffen Sie es, dass alle drei Söhne im Unternehmen sind?" Letztendlich sei es "Glück" gewesen, erwiderte der Unternehmer. Ob ihm die Gemeinderäte auch wohl gesonnen sind? Die Oberdinger bewahrten Pokerface. Wer weiß, wer sich als nächstes vorstellt.

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SZ vom 28.09.2020
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