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Nicht jeder Patient mag die alternative Medizin, aber will die Wahl haben:Klare Absage

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Die Bayerische Ärztekammer streicht Homöopathie aus ihrer Weiterbildung. Nicht wenige Schulmediziner im Landkreis setzen auf die alternative Heilmethode

Von Regina Bluhme, Erding

Hans Regensburger ist Allgemeinarzt in Taufkirchen. Seit vielen Jahren schon besitzt er die Zusatzqualifikation Homöopathie. Er ist von der Wirksamkeit der alternativen Heilmethode überzeugt. Die Bayerische Landesärztekammer nicht: Sie hat vor kurzem beschlossen, Homöopathie aus ihrem Weiterbildungsangebot zu streichen. Regensburger bedauert diesen Schritt sehr und befürchtet einen weiteren Vormarsch der "pharmagesteuerten Medizin".

Mit überwältigender Mehrheit hat der 80. Bayerische Ärztetag am Sonntag in Hof beschlossen, dass die Zusatzbezeichnung Homöopathie künftig nicht mehr zum Ausbildungskanon der Kammer gehören soll. Das kann Markus Marschall, Lungenfacharzt aus Erding und Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands, durchaus nachvollziehen. Er bescheinigt der Homöopathie eine langjährige Erfolgsgeschichte, "doch je näher man sich die Sache anschaut, um so weniger wissenschaftliche Belege finden sich". Eins zeige jedoch die Homöopathie sehr gut: Wie heilsam die intensive Zuwendung zum Patienten ist, wie wichtig es ist, Zeit zu haben, zuzuhören.

Hans Regensburger ist von der Heilwirkung der Homöopathie seit vielen Jahren überzeugt. Dass immer wieder fehlende oder nicht aussagekräftige Studien von Seiten der Schulmedizin bemängelt werden, liege daran, dass man bei der Homöopathie einfach eine andere wissenschaftliche Herangehensweise benötige. Hier müsse jeder einzelne Fall individuell bewertet und untersucht werden. Denn jede Dosierung sei individuell angepasst, herausgesucht aus tausenden von Mitteln, "wir versuchen den Menschen voll und ganz zu erfassen, seelisch, geistig und körperlich".

Dass die Ärztekammer jetzt die Homöopathie gestrichen hat, kritisiert Regensburger hart. "Als nächsten Schritt werde dann wohl die Heilpraktiker verboten", fürchtet er. Von der Homöopathie sei er überzeugt, "anfangs wollte ich noch missionieren", sagt er, das habe er bald aufgegeben. Nicht jeder Patient mag die alternative Medizin. Aber: die Patienten sollten zumindest immer die Wahl haben.

Birte Marei Huber ist Kinderärztin in Erding. Die mündliche Prüfung für ihre Zusatzausbildung Homöopathie hat sie noch bei der Bayerischen Landesärztekammer abgelegt. Sie bedauert, dass die Homöopathie jetzt gestrichen wird. Es gebe viele Behandlungsmethoden "und ich denke, jede Heilmethode hat ihren Stellenwert." Wobei sie die Homöopathie als begleitende Heilmethode einsetze und davon auch überzeugt sei.

Im Bereich des Ärztlichen Kreisverbandes Erding haben laut Landesärztekammer aktuell 19 Ärztinnen und Ärzte die Zusatz-Weiterbildung Homöopathie erworben. Wer bereits mit der Zusatz-Weiterbildung Homöopathie begonnen habe, könne diese innerhalb einer bestimmten Frist abschließen, schreibt die Pressestelle. Bis zum Inkrafttreten der neuen Weiterbildungsordnung am 1. August 2022 können Ärztinnen und Ärzte auch noch mit der Zusatz-Weiterbildung Homöopathie beginnen.

Wer sich dann im Bereich Homöopathie weiterbilden will, für den gibt es bereits heute verschiedene Fortbildungsangebote. Ob und wie Ärzte und Ärztinnen künftig auf ihrem Praxisschild den Zusatz Homöopathie führen dürfen, ist in der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns, Paragraf 27, geregelt, schreibt die Pressestelle der Ärztekammer. Zum Beispiel dürfe es "keine Verwechslungsgefahr mit dem geregelten Weiterbildungsrecht der Bayerischen Landesärztekammer" geben. Das könne bedeuten, dass künftig hinter Homöopathie die jeweilige besuchte Akademie aufgeführt werden müsse, schätzt Hans Regensburger. Und das, so ist er überzeugt, werde auf jeden Fall zu einer deutlichen Abwertung der Zusatzbezeichnung führen.

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SZ vom 21.10.2021
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