Süddeutsche Zeitung

Neue Route durch den Landkreis:Pilgern auf St. Martins Spuren

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Von Ungarn bis Tours in Frankreich führt ein Weg, der auf historische, kulturelle und landschaftliche Besonderheiten im Zusammenhang mit dem Heiligen aufmerksam machen will. Demnächst ist auch der Landkreis Erding Teil der rund 2750 Kilometer langen Route

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Den Jakobsweg kennt spätestens nach dem Buch "Ich bin dann mal weg" von Hape Kerkeling jeder. Aber es gibt noch eine weitere Route für Pilger quer durch Europa: den Martinsweg, die "Via Sancti Martini". Sie besteht aus mehreren Wegen: Man findet sie in Italien, Frankreich, den Beneluxstaaten, in Tschechien und in der Slowakei, in Österreich, in Ungarn und natürlich in Deutschland. Von nächster Woche an ist auch der Landkreis Erding Teil einer Route, die in Ungarn beginnt, über Passau und Landshut, Augsburg, Kaufbeuren, Rottenburg, Worms und Mainz bis zur Martinsbasilika nach Tours in Frankreich führt. Dort befindet sich das Grab des bekannten Heiligen.

Die St. Martin von Tours geweihte Kirche an der Alten Römerstraße in Langengeisling ist ein Bauwerk aus der Zeit des Barocks und Rokokos.

St. Martin in Langenpreising (ist im Kern eine spätgotische Kirche aus der Zeit um 1500, die später im Rokokostil vom Erdinger Stadtmaurermeister Johann Baptist Lethner umgestaltet wurde, nachdem 1769 der Kirchturm eingestürzt war.

Auch für die jetzige Kirche St. Martin in Niederding zeichnet Lethner verantwortlich.

Die Geschichte vom Heiligen Martin kennt fast jeder. Martin war der Sohn eines heidnischen römischen Tribuns. Er wuchs in Pannonien im heutigen Ungarn auf. Die Jugend verbrachte er in Pavia, der Heimat seines Vaters, in Oberitalien. Mit 15 Jahren musste er auf Wunsch des Vaters in den Soldatendienst bei einer römischen Reiterabteilung in Gallien eintreten. Der Legende nach begegnete ihm während seiner Armeezeit an einem Tag im Winter am Stadttor von Amiens ein armer, unbekleideter Mann. Außer seinen Waffen und seinem Militärmantel trug Martin nichts bei sich. In einer barmherzigen Tat teilte er seinen Mantel mit dem Schwert und gab eine Hälfte dem Armen. In der folgenden Nacht sei ihm dann im Traum Christus erschienen, bekleidet mit dem halben Mantel, den Martin dem Bettler gegeben hatte: Er war es, der Martin als Bettler geprüft hatte. Diese Geschichte wird vor allem in den Kindergärten im Rahmen der Martinsfeste mit Laternenumzügen thematisiert und dargestellt. 2016 feiert der Heilige Martin seinen 1700. Geburtstag .

Dass Martin den Mantel von einem Ross herunter geteilt hat, wie es oft dargestellt wird, ist für den emeritierten Professor für politische Bildung und Didaktik der Sozialkunde, Rainer Roth, eher ein Bild, das erst viel später übernommen wurde. Ihm gefällt mehr die Darstellung ohne Pferd, wie sie zum Beispiel in der Basilika auf dem Petersberg bei Erdweg im Landkreis Dachau zu sehen ist. Roth ist einer der Initiatoren des Martinswegs durch Bayern. Er kümmert sich in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Caritasverband vorrangig um die Strecke zwischen Oberösterreich, Passau und Landshut bis nach Dachau. Immerhin verlaufen von den 2750 Kilometern der Gesamtstrecke (Szombathely bis Tours) rund 500 Kilometer durch Bayern. Allein im Freistaat gibt es etwa 300 Kirchen, die nach dem Heiligen benannt sind, zum Beispiel die große Martinskirche in Landshut. Auch im Landkreis Erding stehen sechs Pfarrkirchen und acht Filialkirchen, die dem Heiligen Martin geweiht sind. "Rund 99 Prozent der Kirchen in Bayern habe ich besucht und fotografiert", sagt Roth.

Dass Martin diesen Weg nie selber genommen hat, stört Roth nicht. Denn der Martinsweg soll bewusst kein weiterer reiner Pilgerweg sein, sondern mehr den geistigen Spuren des Heiligen folgen. "Die Via Sanct Martini versteht sich mehr als Kulturweg und soll so gestaltet werden, dass sich Menschen eingeladen fühlen, sich mit der Idee des Teilens nach dem Vorbild des heiligen Martins in unserer Zeit auseinandersetzen." Und unter Teilen versteht Roth nicht nur das materielle Teilen: "Das kann auch sein, sich auf dem Martinsweg, aber nicht nur dort, auf eine Bank zu setzen, ein Gespräch mit jemandem zu führen, Zeit mit ihm zu teilen und ihm damit zu sagen: Du bist mir als Mensch wichtig."

Der Martinsweg muss deshalb nicht den wirklichen Fußstapfen folgen. Wesentliche Aspekte der Wegführung sollen Roth zufolge auch auf historische, kulturelle und landschaftliche Besonderheiten aufmerksam machen. Und deshalb sei es wichtig, dass das Projekt nicht einfach den einzelnen Gemeinden übergestülpt werde, sondern von ihnen mitgetragen werde. Im Landkreis Erding sei er dankenswerterweise auf sehr viel Entgegenkommen bei den Bürgermeistern gestoßen - und habe Anregungen bekommen, wie man den Weg am besten führen könne. Dass Martinskirchen am Weg liegen, ist selbstverständlich, aber der Langenpreisinger Bürgermeister Peter Deimel habe ihn zum Beispiel darauf aufmerksam gemacht, dass der Weg besser am Ostufer des Isarkanals entlang führen sollte, da dann die "Via Sancti Martini" an früheren Weinhängen vorbei laufe, die von den Römern angelegt wurden. Die Stadt Erding habe angeregt, die Strecke an der Wallfahrtskirche Heilig Blut vorbei zu führen. Für Vorschläge ist Rainer Roth immer dankbar und aufgeschlossen. Der Martinsweg soll den Kommunen keine große zusätzliche Arbeit bescheren. Wo immer es geht, werden bereits vorhandene Wanderwege mitbenutzt. Es müssen nur quadratische, gelbrote, kleine Schilder angebracht werden - zum Beispiel an Hauswänden, Kirchen oder Pfosten. Beschriftet sind sie mit dem Lateinischen "Via Sancti Martini" ("Weg des heiligen Martin") und gegebenenfalls einem erläuternden Hinweis, dazu in stilisierter Form ein Schwert, ein Mantel und ein Fußabdruck.

Da die Schilder von Ehrenamtlichen gefertigt werden und auch Roth unentgeltlich arbeitet, ist der emeritierte Professor dankbar, wenn das Aufstellen Mitarbeiter der örtlichen Bauhöfe übernehmen. Und wenn es vielleicht eine kleine Spende gibt - da es von den Diözesen kaum finanzielle Unterstützung für das Projekt gebe, auch, wenn man es dort gut findet. Roths Tätigkeit ist eingebunden im Deutschen Caritasverband, der in Zusammenarbeit mit der Martinusgesellschaft in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, wo es seit 2011 Martinswege gibt, ein Konzept entwickelt hat, wie man neben der schon lange bestehenden historischen Route südlich der Alpen auch eine Mittelroute realisieren könne, die bis nach Tours führt.

Wenn alle Täfelchen zwischen der nördlichen Landkreisgrenze bei Steingrub und beim Verlassen des Wegs aus dem Landkreis Erding bei Eittingermoos angebracht sind, ist Roth mit seinem Anteil an der "Via Sancti Martini" von Passau bis nach Schwaben fast fertig, wie er sagt. Und das wird schon bald sein: Am nächsten Montag werden die Hinweistäfelchen in den Gemeinden Langenpreising und Wartenberg aufgestellt, in der gleichen Woche folgen Oberding und Eitting. In Erding selbst müssen die genauen Standorte noch festgelegt werden. Einen Wunsch hat Rainer Roth: "Es wäre schön, wenn sich Wegpaten finden würden, die ab und an kontrollieren würden, ob alle Täfelchen noch angebracht sind und der Weg in Ordnung ist." Bei den Bürgermeistern im Landkreis sei er schon auf offene Ohren gestoßen. Aber nicht überall sei dies der Fall, obwohl der Weg doch eine gute Sache sei.

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Quelle:
SZ vom 13.05.2017
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