Neuching: Am 30. April ist sein letzter Arbeitstag:Zwischen Kunst und Politik

Neuching: Am 30. April ist sein letzter Arbeitstag: Bürgermeister Hans Peis an seinem Schreibtisch im Rathaus. Sein letzter Arbeitstag ist der 30. April. Pläne für den Ruhestand hat er genug.

Bürgermeister Hans Peis an seinem Schreibtisch im Rathaus. Sein letzter Arbeitstag ist der 30. April. Pläne für den Ruhestand hat er genug.

(Foto: Renate Schmidt)

Hans Peis geht nach 18 Jahren als Bürgermeister von Neuching in den Ruhestand. Für Wehmut hat der 68-Jährige aktuell keine Zeit. Er will seinem Nachfolger den Einstieg ins Amt so weit wie möglich erleichtern. Zuhause wartet auf den begeisterten Maler sein Privatatelier

Von Regina Bluhme, Neuching

Erst waren es Monate, dann Wochen, jetzt sind es Tage. Schon seit längerem zählt Hans Peis auf seinen Kalenderseiten die Zeit bis zum Abschied herunter. Am 30. April ist sein offiziell letzter Arbeitstag als Bürgermeister. Nach 18 Jahren tritt der 68-jährige CSU-Politiker nicht mehr an, auch für den Kreistag wird er nicht mehr kandidieren. Langweilig wird es ihm im Ruhestand nicht werden. Er wird in seinem Atelier weiter Bilder malen, mit Ehefrau Helga im Wohnmobil durch Europa reisen und weiterhin als Schulweghelfer Dienst tun.

Von seinem Schreibtisch aus blickt Hans Peis auf zwei großflächige Blumenbilder. Das linke leuchtet in knallorange, man kann förmlich die Sonne spüren. Entstanden ist es vor einigen Jahren in Südfrankreich, erzählt Peis. Die Blumen wuchsen im Garten der französischen Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin Juliette Binoche, die gleich neben Preis Feriendomizil ihr Haus hatte - ein Hauch von Hollywood im Neuchinger Rathaus. Passt irgendwie, denn Kunst ist die große Leidenschaft von Hans Peis. In die Wiege ist ihm das nicht gelegt worden.

Er stamme aus einem kleinen Bauernhof, erzählt Peis, habe aber schon als Kind gerne gezeichnet mit Kugelschreiber oder Bleistift, an andere Utensilien war nicht zu denken. Ein Lehrer erkannte sein Talent, das taten auch seine Mitschüler. Für den einen oder anderen habe er "für ein Markl" Bilder gemalt, "denn die wussten, dass ich in der Regel eine Eins bekomme". Die Welt der Kunst hat sich ihm dann an einem eher ungewöhnlichen Ort eröffnet: bei der Bundeswehr. In seiner Kompanie waren viele Abiturienten aus München, mit einigen hat er sich angefreundet und dabei fiel ihm zum ersten Mal ein Kunstband in die Hände. "Da wusste erst, was Kunst bedeuten kann."

Seither malt er. Am liebsten "Menschenbilder", wie er sagt, "denn Menschen interessieren mich nun einmal am meisten". Auch Ausstellungen hat er schon bestückt und von 1998 bis 2004 war er 2. Vorsitzender des Erdinger Kunstvereins. Gerne erinnert er sich an die Zusammenarbeit mit der damals 1. Vorsitzenden Annemarie Werhazy, die 2011 verstorben ist. Sie hätte gerne mit ihm noch weiter gemacht, "aber ich schaffte es zeitlich nicht mehr", erinnert sich Peis. Der Tod von Werhazy berührt ihn heute noch. Als Vorsitzender des Kunstvereins sei ihm wichtig gewesen, "Leute, egal, aus welcher Schicht, zu fördern und zu ermutigen".

Als ganz junger Mann habe er sogar kurz in Richtung Modedesign gehen wollen, verrät Peis. Dann hat er doch für die Justiz entschieden. 27 Jahre war er Gerichtsvollzieher, viele Jahre Obergerichtsvollzieher. Bereits mit 20 Jahren hat er seien Frau Helga geheiratet. Sie haben einen Sohn und eine Tochter und einen mittlerweile auch schon 20-jährigen Enkel.

2002 wurde Peis zum Bürgermeister gewählt, seit 2008 ist er hauptamtlicher Rathauschef. Als Altersgründen kann er nicht zum dritten Mal antreten. Für Wehmut habe er keine Zeit, sagt Peis. Gerade jetzt will er "noch mehr Speed geben". Schließlich soll sich sein Nachfolger nicht gleich "mit Riesenentscheidungen überfordert fühlen" und den Spaß am Amt verlieren. So wäre es ihm nämlich fast gegangen, als er 2002 erstmals Bürgermeister wurde. Zuvor war er seit 1990 im Gemeinderat, das sei schon eine gute Vorbereitung gewesen, "aber das, was auf einen dann als Bürgermeister zukommt, das hat mich dann schon überrascht".

Die Einweihung der neuen Zweifachturnhalle mit Vereinsheim zwischen Ober- und Niederneuching wird er nicht mehr vornehmen. Aber er könne seinem Nachfolger das größte Projekt, das Neuching je gestemmt hat, "in trockenen Tüchern" übergeben: Der Bauantrag ist vom Gemeinderat genehmigt, die Kostenschätzung steht: 6 Millionen sind angesetzt. Als weitere große Themen in seiner Amtszeit nennt Peis Bau von sechs Gemeindewohnungen Am Kampelbach, die im Sommer fertiggestellt werden. Außerdem habe Neuching noch weitere Baugebiete, Gewerbegebiete und sechs Millionen Euro Rücklagen, zählt er auf.

Sein wichtigstes und zugleich nervenaufreibendstes Projekt: Das Wohn- und Geschäftshaus an der Münchner Straße in Niederneuching mit Arzt und Physiotherapiepraxis, Apotheke und Supermarkt. Fast wäre das Vorhaben gescheitert, die Ärztin hatte mehr oder weniger abgesagt, da stand der Rohbau schon. "Doch alles ging gut aus", ist Peis heute noch froh. Eine Erfolgsgeschichte ist für ihn auch die Gestaltung der Ortsmitte von Oberneuching.

Viele Jahre war er auch im Kreistag tätig, "in allen Ausschüssen bin ich schon gewesen", sagt der stellvertretender CSU-Fraktionsvorsitzende. Mit Landrat Martin Bayerstorfer, ebenfalls CSU, pflege er eine Freundschaft. Deswegen werde er sich auch nicht zu dessen mitunter umstrittenen Umgangsstil äußern. "Seine Bilanz kann sich auf jeden Fall sehen lassen."

Lange Jahre war Hans Peis auch Vorsitzender des Zweckverbands Volkshochschule (VHS) Erding. Auch dieses Amt wird er abgeben. Der VHS bescheinigt er eine "sehr, sehr, sehr gute Entwicklung". Die Aufgabe der Erwachsenenbildung mache er nicht am Alter fest - es gehe darum, Bildung für alle gesellschaftlichen Schichten zu ermöglichen. Deswegen gehöre auch die Schülerförderung zu einem bezahlbaren Preis zum VHS-Programm.

Unter VHS-Geschäftsführer Claus Lüdenbach wird verstärkt ein Programm mit akademischen Themen angeboten, das sich eher an ein Bildungsbürgertum richtet. Diese Vorträge seien gut besucht, "zwischen 20 bis 50 Teilnehmer sind es immer". Eine Herausforderung und zugleich "eine Riesenbereicherung" seien die Deutschkurse für Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund. Die Teilnehmer kämen nicht nur einmal in der Woche zwei Stunden zum Kurs, sondern täglich. Anfangs habe das schon einen Gewöhnungsprozess für alle Beteiligten bedeutet, "aber jetzt ist die Cafeteria immer besetzt, das Haus lebt ganz anders".

Sein Leben wird sich jetzt doch sehr ver ändern. Pläne hat er der 68-Jährige genug. Sein Privatatelier warte schon auf ihn, sagt Peis. Im eigenen Wohnmobil geht es Ehefrau Helga auf Reisen, das erste Ziel steht schon fest: Portugal. Weiterhin wird er im Literaturkreis mitmachen und sich in den Arbeitskreisen Chronik sowie Senioren engagieren. Und natürlich werde er weiterhin als Schulweghelfer Dienst tun. Wobei der Dienstbeginn um7 Uhr für ihn immer noch gewöhnungsbedürftig sei. "Vor 9 Uhr ist mir eigentlich nicht zu rechnen".

Seine Termine hat er bis zuletzt fein säuberlich in einen Kalender aus Papier eingetragen und mit Textmarker in pink, gelb, blau und grün markiert. Termine in ein Handy einzugeben, wie es die meisten seiner Amtskollegen mittlerweile tun, das wollte er nie. "Aber wer weiß, vielleicht lege ich mir jetzt eins zu." Egal, ob online oder auf Papier: Einen Terminkalender wird er brauchen.

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