Naturschutz:Neues Leben in der Todeszone

Vor einem Jahr ereignete sich in der Goldach die bislang verheerendste Gewässervergiftung in Bayern. Ämter und Behörden untersuchen die Folgen und haben nun erstmals 1000 Krebse eingesetzt

Von Thomas Daller, St. Wolfgang

Vor einem Jahr wurde die gesamte Fauna der Goldach durch einen grob fahrlässigen Betriebsunfall in einem Sägewerk ausgelöscht. Das Wasserwirtschaftsamt München und die Regierung von Oberbayern stuften den Fall als den bislang schlimmsten in ganz Bayern ein. Seither wird diese Todeszone quartalsweise untersucht, ob darin wieder Leben möglich ist. Vor zwei Wochen wurden dort 1000 Edelkrebse ausgesetzt, nachdem das letzte natürliche Vorkommen im Landkreis Erding von einem hochgiftigen Insektizid ausgerottet worden war.

Goldach

Die stellenweise noch unbegradigte Goldach war ein ökologisches Juwel. Nach dem Unfall starb auf 13 Kilometer Länge die Fauna ab.

(Foto: Daller/oh)

Die Goldach war einmal ein ökologisches Juwel. In dem Bach, der durch Sankt Wolfgang und Schwindkirchen fließt, gab es neben Bachforellen auch vitale Bestände der seltenen Mühlkoppen und das letzte natürliche Vorkommen von Edelkrebsen im Landkreis Bis sich am 30. Oktober vergangenen Jahres die Katastrophe ereignete: 3600 Liter eines Holzschutzgemischs gelangten aus einem Tauchimprägniertank eines Sägewerks bei Sankt Wolfgang in den Bach. Über einen Zeitraum von drei Stunden lief die giftige Brühe in den Bach. Als sich die ersten toten Fische in einem darunterliegenden Kraftwerksrechen verfingen, informierte dort der Betreiber die Polizei.

Goldach

Biologen wollen nun den Edelkrebs wieder ansiedeln.

(Foto: Daller)

Die Konzentration war so stark, dass es die tödliche Dosis für Forellen um das 1000-fache überschritt und für Bachflohkrebse sogar um das 10 000-fache. Auf 13 Kilometern, bis zur Mündung in die Isen, wurde die komplette Fauna ausgelöscht. Das Sterben war noch weitaus schlimmer als der bekannte Chemieunfall an der Alz im März 2012, bei dem zumindest ein kleiner Teil des Ökosystems überlebt hat. Die Goldach war der verheerendste Fall in Bayern. Der Biologe Matthias Runge vom Wasserwirtschaftsamt München spricht von einer "Todeszone". Für bayerische Wasserwirtschaftsämter, das Landesamt für Umwelt sowie die Regierungen von Oberbayern und Schwaben ist die Goldach seither ein Referenzfall, an dem beobachtet wird, wie lange es dauert, bis in diese Todeszone wieder Leben zurückkehrt. Es gibt nunmehr Anlass zur Hoffnung: Vor zwei Wochen hat das Landesamt für Umwelt 1000 Edelkrebse eingesetzt. Diese Woche waren 18 Fachleute der Wasserwirtschaftsämter München, Rosenheim, Traunstein und Weilheim sowie Vertreter der Bezirksregierungen von Oberbayern und Schwaben an der Goldach unterwegs, um das Gewässer auf Algenbewuchs, Bachflohkrebse sowie Köcher- und Eintagsfliegenlarven zu untersuchen. Die Bewohner des Kieslückensystems sind die Hauptnahrung der Fische. Es gibt bereits einzelne Exemplare, aber sie sind noch nicht so zahlreich, dass man schon wieder Fische einsetzen könnte.

Edelkrebs

Der Edelkrebs soll in der Goldach wieder heimisch werden.

(Foto: Privat)

In dem tödlichen Cocktail enthalten waren der Wirkstoff Cypermethrin sowie die Schwermetalle Kupfer und Chrom. Cypermethrin zerfällt nach 24 Stunden unter Sonnenlicht, die Schwermetalle sind mittlerweile wohl über die Isen, den Inn und die Donau ins Schwarze Meer gelangt. Zumindest sind sie in der Goldach nicht mehr nachgewiesen worden.

Das Landesamt für Umwelt und die Wasserwirtschaftsämter haben die Goldach seither dreimal an je vier Stellen untersucht und darauf gehofft, dass neues Leben in diesem Gewässerfriedhof entsteht. "Im Frühjahr 2016 kam eine kleine Hochwasserwelle zu Hilfe", sagte Stefan Marx von der Regierung von Oberbayern beim Ortstermin in Sankt Wolfgang. Aus dem zehn Kilometer langen Oberlauf bis zur Quelle bei Lacken in der Gemeinde Maitenbeth im Landkreis Mühldorf schwemmte das Hochwasser wieder Köcherfliegenlarven und Eintagsfliegenlarven an. Diese Pionierinsekten galten als Indikatoren, quartalsweise wurde untersucht, wie sich die Goldach weiter entwickelt.

Goldach

Matthias Runge vom Wasserwirtschaftsamt

(Foto: Daller)

Anfang Oktober dieses Jahres war es dann soweit: 1000 junge Edelkrebse im Alter von etwa zwei Jahren wurden in der Goldach eingesetzt. Die Tiere stammen aus der Zucht des Bayerischen Landesamtes für Umwelt in Wielenbach. Sie sind zwar nicht so perfekt an ihre neue Umgebung angepasst wie der autochthone, an Ort und Stelle entstandene Krebsbestand, der sich seit der letzten Eiszeit in der Goldach entwickelt hatte, aber die Biologen räumen auch den Tieren aus Wielenbach gute Überlebenschancen ein. Die heimischen Edelkrebse ernähren sich vorwiegend von abgestorbenem Pflanzenmaterial, ob von Wasserpflanzen oder abgefallenem Laub von Bäumen. Letzteres ist von den vielen Eschen und Schwarzerlen, die die Goldach säumen, derzeit in Hülle und Fülle vorhanden. Im Alter von drei bis vier Jahren wird astacus astacus geschlechtsreif. Im Frühjahr 2020 könnte demnach die erste neue Krebsgeneration in der Goldach schlüpfen. Für die Biologen gibt es noch viel zu dokumentieren.

Die Erkenntnisse dürften nicht nur bei solchen Gewässerverschmutzungen von Belang sein, denn auch ohne solche Katastrophen nimmt der Artenreichtum in den Bächen und Flüssen dramatisch ab. Bachmuscheln sind nahezu ausgestorben, Mühlkoppen, Steinbeißer, Nasen, Zingel oder Streber fast völlig verschwunden. 80 Prozent der Bach- und Flussfische in Bayern stehen auf der Roten Liste.

Der Dorfener Jan Haft, Deutschlands meist prämierter Naturfilmer, hat über den Zustand der Flüsse und Bäche aktuell einen Film gedreht, der voraussichtlich 2018 ins Fernsehen kommen wird. Haft hält Düngemittel und die Verschlammung durch die Landwirtschaft für die größte Bedrohung der Bäche und plädiert für ein verbindliches Uferrandstreifenprogramm.

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