Naturschätze:Blühende Werte

Naturschätze: Die Blaue Kugelblume ist eine Alpenpflanze, die in der letzten Eiszeit in die Garchinger Heide kam.

Die Blaue Kugelblume ist eine Alpenpflanze, die in der letzten Eiszeit in die Garchinger Heide kam.

(Foto: Marco Einfeldt)

In der Garchinger Heide gibt es mehr als 240 Pflanzenarten

Von Alexandra Vettori, Eching

Die Lerchen trällerten, als am Dienstag in der Garchinger Heide der Startschuss für die Tour Natur gefallen ist. Als Ortstermin hatte sich Regierungspräsidentin Brigitta Brunner die Heide ausgesucht, ist sie doch einer der größten Naturschätze Bayerns. Die meisten kennen das Grasland nur von der Autobahn aus, und von dort mutet die flache Landschaft wenig spektakulär an. Die 50 Interessierten beim Ortstermin, unter ihnen Freisings Landrat Josef Hauner und Bürgermeister umliegender Orte, lernten, die Garchinger Heide mit anderen Augen zu sehen. "Es sind auf 25 Hektar mehr als 240 Pflanzenarten nachgewiesen", erläuterte Jörg Ewald von der Bayerischen Botanischen Gesellschaft und Professor für Botanik. Das mache ihren Wert aber nicht alleine aus.

Vielmehr handele es sich auch um ein Stück Geschichte. Zum einen ist hier die pflanzengeografische Geschichte abzulesen. Vor 10 000 bis 15 000 Jahren herrschte eine große Eiszeit, die Isar war ein Wildfluss, der die gesamte Schotterebene ausfüllte. Aus dieser Zeit sind in der Heide alpine Pflanzen erhalten, die blaue Kugelblume zum Beispiel, die es sonst nur im Hochgebirge gibt. Als die Gletscher sich zurückzogen, brach die Steppenphase an, viele Pflanzensamen wanderten aus Russland und der Ukraine ein. Aus dieser Zeit blieb die Küchenschelle in der Garchinger Heide. Sie sei, bedauerte Ewald, im Mai leider schon verblüht, doch bundesweit käme die Fingerküchenschelle nur noch an zwei Standorten vor, einer davon ist hier.

Seit 1939 ist die Garchinger Heide Naturschutzgebiet, vor dem Pflug gerettet hat sie die Deutsche Botanische Gesellschaft, die seit 1908 Flächen dort aufkaufte. Der Besucherverkehr ist bis heute streng reglementiert, nur bepflockte Pfade dürfen begangen werden. Ein weiterer geschichtlicher Aspekt ist die Nutzungsgeschichte. Die bronzezeitlichen Grabhügel lassen die Vermutung zu, dass sie schon damals, sicher aber im Mittelalter ein Allmende-Gebiet war. Umliegende Siedler trieben ihr Vieh hierher auf die Weide. Im 19. Jahrhundert war die Heide Teil eines Truppenübungsplatzes der Königlichen Reiterei.

Im Südwesten sind noch die Reste einer Sondernutzung zu sehen. Auf einem Rechteck ist die oberste Bodenschicht abgeschoben, Gefangene aus dem KZ Dachau mussten hier eine Landebahn anlegen, als Ersatz für den von Bomben bedrohten Flughafen Oberwiesenfeld. Sie ist nie in Betrieb gegangen, der Krieg war vorher vorbei, doch für die Natur war das Rollfeld eine Rolle rückwärts um einige Tausend Jahre: "Es kommen die Pflanzen der Zugspitzgruppe zum Vorschein", so Ewald, Schneeheide oder der Kalk-Glocken-Enzian.

Heute ist es der Heideflächenverein, der für den Erhalt des Naturschatzes sorgt. Der Pflegeplan sieht eine zweijährige Streifenmahd vor, dazu wird alle drei Jahre gestriegelt, damit kleine freie Flächen entstehen, auf denen Samen besser keimt. Die Erfolgskontrolle übernehmen Wissenschaftler der Technischen Universität. Sie erforschen, ob die Heidepflanzen mit der modernen Belastung zurechtkommen. Denn Düngerwolken und Abgase landen in geschütztem Heideboden. Derzeit untersuchen die Wissenschaftler 17 Pflanzenarten genau, acht besonders stark vom Aussterben bedrohte.

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