Natur:Der Liebling des Borkenkäfers

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Die Fichte dominiert die Wälder im Landkreis, sie ist besonders anfällig für die Attacken des Schädlings. Förster müssen derzeit besonders aufmerksam sein, die Gefahr ist andernorts aber noch größer

Von Tom Burggraf, Erding

Förster und Waldbesitzer suchen wieder nach ihm. Rostfarbenes Mehl führt sie auf die Fährte des inzwischen bekanntesten Schädlings: den Borkenkäfer. Das Bohrmehl, das er hinterlässt, verrät ihn. Es ist das erste Anzeichen für einen befallenen Baum, den Waldbesitzer auf diese Weise schnell entdecken, um die Ausbreitung des Schädlings zu verlangsamen. Aber Wind und Regen erschweren die Suche nach dem Käfer, das Mehl ist schnell weggewaschen oder verweht. Doch, auch wenn das unstete und nasse Wetter die Suche nach dem Borkenkäfer erschwert - die Niederschläge sind gut für die Wälder im Landkreis, die sich vom Trockenstress der vergangenen Jahre erholen.

Das durchwachsene Wetter hemmt zudem die Vermehrung der Borkenkäfer. Im vergangene Jahr schwärmten drei Generationen Borkenkäfer aus, dieses Jahr nur zwei. Entwarnung kann Gabriela Lobinger von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) aber noch nicht geben. Die Vermehrung sei noch im Gange und die Population sehr groß, sagt Lobinger.

Seit Jahren bedroht der Borkenkäfer vor allem den Brotbaum der deutschen Wälder, die Fichte. Weil dieser Baum seine Wurzeln nicht so tief in die Erde gräbt, leidet er, sobald es heißer und trockener wird. Auch Stürme haben leichtes Spiel mit ihr. Der Klimawandel schwächt die Fichte zur Freude des Borkenkäfers, der die angeschlagenen Bäume leichter befallen kann. Im Landkreis Erding dominiert die Fichte noch fast drei Viertel der Waldfläche.

Lobinger hat zur Populationsdynamik von Fichtenborkenkäfern habilitiert und arbeitet nun in der Abteilung Waldschutz am LWF. Aktuell schwärmen die Käfer aus, sagt sie im Gespräch mit der SZ. Die erwachsenen Käfer fliegen Fichten an, bohren sich durch die Rinde und legen ihre Eier darunter ab. Die Larven verpuppen sich, schlüpfen und schwärmen wieder aus. Aus einem befallenen Baum könnten in der jetzigen Schwärm-Phase schnell über zwanzig weitere werden. Deswegen ist es so wichtig, auf die Suche nach dem Bohrmehl zu gehen. Findet man befallene Bäume, müssten die sofort raus, sagt Lobinger.

Immerhin hat die Fichte durch den Regen aktuell ihre Abwehrkräfte zurückgewonnen. Solange sie genügend Wasser bekommt, produziert sie Harz und etränkt damit den Borkenkäfer. Wenn aber viele Hundert Käfer auf einmal einen Baum befallen, "schaffen die Fichten es nicht sich zu wehren - egal wie vital sie sind", sagt Lobinger. Dann fressen die Käfer die lebende Schicht des Baumes, bis er keine Nährstoffe mehr in die Äste transportieren kann. Der Baum stirbt ab.

"Jedes Jahr wird spekuliert, wie es dem Käfer geht", sagt Simon Schmatolla, Förster bei der Waldbesitzervereinigung Erding. Dieses Jahr hätten die Waldbesitzer Glück, meint er. Im Landkreis seien die Schäden durch den Käfer minimal. "Aber im nächsten Jahr kann das wieder ganz anders aussehen." Diese Meinung teilt auch Klaas Wellhausen, Bereichsleiter Forsten beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Ebersberg-Erding. Der durchwachsene Sommer sei gut gewesen für den Wald und schlecht für den Borkenkäfer, aber man müsse weiterhin aufmerksam sein. Er präzisiert: Im nördlichen Bereich des Landkreises, angrenzend zum tertiären Hügelland und Freising, meldeten ihm die Forstämter zunehmend Befälle. Im Süden sei die Lage entspannter. Die Unterschiede hingen von vielen Faktoren ab: von der Wasserspeicherkapazität der Bodenschichten und von den Sturmschäden der vergangenen Jahre. Letztere seien im Norden größer gewesen, deswegen steige dort der Befall.

Das bestätigt die Karte des Borkenkäfer-Monitoring Bayerns, die die aktuelle Gefährdungssituation abbildet. Der Landkreis Erding ist gelb markiert, was bedeutet, dass eine Ausbreitung des Befalls zu erwarten sei. Landshut ist bereits rot, seit Donnerstagabend auch Freising. Dort sei eine schnelle Ausbreitung zu erwarten. München wurde von Grün auf Gelb gestellt. Am schlimmsten sieht es jedoch im Norden Bayerns aus, wo die Gefährdungsstufe fast flächendeckend auf Rot steht. "Jetzt ist Eile geboten", sagt Lobinger. Werden die befallenen Bäume nicht umgehend entfernt, kann der Käfer sich vermehren. Außerdem produziere er Pheromone, erklärt Lobinger. Diese Botenstoffe sagen den anderen Käfern: Hier gibt es Essen und Wohnraum. "Deswegen hat man auch ganz schnell 100, 1000 und 2000 Käfer am gleichen Baum. Dagegen ist die Fichte dann machtlos", sagt Lobinger.

© SZ vom 26.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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