Süddeutsche Zeitung

Narrhalla Erding:Ein Tüllrock im Härtetest

Diese Faschingssaison ist besonders lang, da braucht nicht nur das Prinzenpaar einen langen Atem. Ob Federkleid oder Tanzschuhe: Mensch und Material sind aufs Äußerste gefordert

Von Katrin Fertl, Erding

Das Erdinger Prinzenpaar Melissa I von Hopfensaft und Dirndlschaft und Dominik I von Motor und C-Rohr darf noch einige Tage durchatmen, dann geht es richtig los. Der anstrengende Teil des Faschings steht bevor, wie die Prinzessin selbst sagt: "Bis jetzt war es noch nicht all zu stressig. Langsam geht's aber los, dann haben wir drei Termine an einem Tag." Das Finale ist noch fern, aber wer die beiden einmal live sehen möchte, sollte sich den 3. März notieren: Dann tanzt das Paar bei der Narrenschranne auf dem Schrannenplatz unter freiem Himmel.

Nach der Proklamation im Dezember hatte das Paar - mit bürgerlichen Namen Melissa Glück und Dominik Beierl - mehr als zwanzig Tanzstunden genommen, bis beim Galaball im Januar alle Schritte saßen. Am Galaball ging nur noch dem Prinzen "die Düse", sagt Melissa Glück. Sie selbst sei nur bei der Proklamation aufgeregt gewesen. Da half wohl auch, dass sie sich beim Frisieren noch einige Tipps holen konnte: Ihre Friseurin Carolina Berlinger war 2016 selbst Prinzessin. Zur Seite stehen Prinzessin Melissa I zwei Hofdamen: ihre Schwester Tamara und ihre Großcousine Dana Ortmeier. Ihr Federkleid mit Tüllrock und Schuhe hat sie ebenfalls selbst ausgesucht, für die kalten Tage hat sie sich ein Felljäckchen ausgeliehen - und ganz wichtig sind die Plüschhausschuhe. Denn ohne die kommt die Prinzessin nicht weit. Die Schuhe, die sie sich gekauft hat, darf sie nämlich nicht draußen tragen und zieht deshalb dann ihre Hausschuhe über die Prinzessinnenschuhe an.

Das Schönste daran, eine Prinzessin zu sein, ist für Glück eindeutig, "ein Prinzessinnenkleid zu tragen". Das Kleid wurde erst ein paar Tage vor der ersten Veranstaltung geliefert und passte sofort. Aber auch hier stehen ihr die Hofdamen zur Seite. Obwohl das Kleid gar nicht so kompliziert wäre, braucht es mehr als zwei Hände, um die Prinzessin wie eine Prinzessin aussehen zu lassen. Nachdem sie an ihrem Tüllrock Knöpfe befestigen hatte lassen, damit er nicht herunterrutscht, fehlte für eine richtige Prinzessin nur noch eines: eine Grippeimpfung. Denn wenn Melissa I krank wird, gibt es keinen Ersatz, der Prinz müsste alleine auftreten.

Etliche Auftritte hat das Prinzenpaar bislang bewältigt, bei einigen Bällen, beim Eishockey, beim Gardetreffen, bei der Soiree im Deutschen Theater und verschiedenen Prinzenpaartreffen. Über Letzteres freut sich die Prinzessin, die als Hotelfachfrau arbeitet, am meisten. Und darüber, dass man "eine Gaudi miteinander" haben kann.

Ihre Adelstitel haben die Amtsträger sich selbst verliehen. Melissa I von Hopfensaft und Dirndlschaft betont damit ihre Vorliebe für Bier und ihre Verbundenheit zur Dirndlschaft in Langengeisling, Dominik I von Motor und C-Rohr hat sich an seinem Beruf als Kraftfahrzeugmechatroniker und seiner Tätigkeit als Feuerwehrmann orientiert. Die beiden haben sich vor zwei Jahren bei der Reiherordenssitzung kennen gelernt, sagt Melissa Glück.

Bis alles im großen Finale inklusive Narrenschranne am Faschingssonntag auf dem Schrannenplatz mündet, steht dem Prinzenpaar noch einiges bevor, und nicht nur ihm, sondern auch dem gesamten Hofstaat mit Garden, Jungelfer und anderen: Prinzenball und Kinderfasching in der Stadthalle, der Rosenmontagsball im Gasthof zur Post, dazu Auftritte beim Einzelhandelsgeschäft Feneberg in der Langen Zeile und im Gewerbegebiet Erding West.

Beruflich ist Melissa Glück flexibel, wie sie sagt, deswegen habe sie das Amt der Prinzessin annehmen können. Zwar musste sie mit ihrer Chefin und der Rezeptionsleitung abklären, ob sie als Kurzzeitprinzessin arbeiten könne. Der Arbeitgeber war jedoch sehr kooperativ, die männlichen Kollegen nennen sie seitdem immer Prinzessin. Zum großen Finale nimmt sie sich vom 26. Februar an frei.

Wichtigste Begleiter des Prinzenpaares sind die Garden. Deren Leiterin Susanne Mair freut sich, dass der Fasching dieses Jahr so spät ist, wie sie sagt. "Dann finden die Auftritte nicht so geballt aufeinanderfolgend statt." Richtig hart wird es jedoch zwischen Gründonnerstag und Faschingsdienstag. In dieser Zeit haben die Tänzer etwa 15 Auftritte, wie Mair ankündigt. Seit dem ersten Auftritt auf dem Galaball führt jede Gruppe bei jedem Auftritt ihren einstudierten Tanz auf - bis zum Faschingsdienstag. Dann ist zwei Wochen Pause, und dann beginnt das Training schon wieder für die nächste Saison - mit schwierigeren Tänzen mit Hebefiguren und neuen Choreografien. Die Garde tritt nach Bedarf aber auch nach dem Fasching auf: bei Festen im Sommer, Geburtstagen oder an Weihnachten.

Susanne Mair ist mit Herzblut bei der Sache: "Der Applaus und die Menschen, denen wir mit unserer Darbietung Freude bereiten können, das gibt mir so viel." Aber auch über den Spaß der Tänzerinnen und Tänzer freue sie sich und darüber, "dass ich so vielen Kindern ein Hobby ermöglichen kann, bei dem sie offensichtlich so viel Spaß haben wie ich es als Kind und junge Erwachsene". Aber ganz ohne Ehrgeiz wird dieser Sport nicht betrieben: Susanne Mair will eine neue Turngarde unter dem Namen Funkengarde gründen. Weil es keine Regionalturniere gibt, müsse die Truppe beim ersten Turnier auf Bundesebene starten. "Dies wird schwer werden, aber wenn wir Turniere tanzen wollen, bleibt uns nichts anderes übrig, als von Anfang an gegen die besten Garden des Bund Deutscher Karneval anzutreten."

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Quelle:
SZ vom 13.02.2019
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