Naherholung:Streit um Walderholungsplatz im Sollacher Forst

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So oder ähnlich könnte eine der Spielstationen aussehen, zum Balancieren, zum Darauf-Herum-Klettern oder auch zum Sitzen. (Foto: Isenwerk/OH)

Der Verein Isenwerk möchte mit seinem Projekt Menschen Erlebnisse in der Natur vermitteln. Das gefällt nicht Allen. Kritiker fürchten, dass Tiere durch zu viele Spaziergänger gestört werden könnten.

Von Florian Tempel, Isen

Die Deutschen und der Wald, das ist eine ganz spezielle Beziehung. Wie innig und wie kompliziert das Verhältnis ist, zeigt sich an einem aktuellen Projekt in Isen. Der Verein Isenwerk hat die Idee eines Waldspielplatzes im Sollacher Forst entwickelt, der in ein kleines Netz von Wandelwegen eingewebt werden soll: Zwischen Bäumen klettern und auf Stämmen balancieren, eine Wackelbrücke und eine kleine Seilbahn, Spazierengehen und Wald wahrnehmen. Hört sich doch gut an.

Viele finden die Ideen super, die Staatliche Forstverwaltung unterstützt das Ganze, eine Forstwissenschaftsstudentin aus Weihenstephan hat eine Bachelorarbeit dazu verfasst und der Gemeinderat ist mehrheitlich dafür. Doch es gibt auch vehemente Kritik. Manche wähnen die Natur in Gefahr und befürchten, seltene Arten wie die Gelbbauchunke könnten massiv leiden. Die Heftigkeit, mit der die divergierenden Meinungen vertreten werden, ist von außen betrachtet erstaunlich.

Der Isener Architekt Udo Rieger ist Mitglied im Verein Isenwerk, der sich als Zusammenschluss von "interessierten und engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die das Gemeinwohl und die Kultur in Isen fördern wollen", versteht, wie es auf der Homepage des Vereins heißt. Rieger hat die Idee eines Waldspielplatzes mitentwickelt. In der harten Phase der Corona-Lockdowns hat er den nahen Wald wiederentdeckt. Er ist mit seinen Enkelkindern raus und rein zwischen die Bäume. Er hat gemeinsam mit den Kindern gestaunt, was die Biberfamilien da alles bauen. "Das war und ist ein Erlebnis", sagt Rieger, "es ist ja gigantisch, was die da schaffen."

Der Walderholungsplatz ist Teil eines naturverträglichen pädagogischen Konzepts

Bei Isenwerk-Treffen entstand dann die Idee, solches Erleben im Wald gezielt auch anderen, insbesondere Kindern und Familien zu vermitteln. In der Beschreibung des konkreten Bauantrags ist es so formuliert: "Der geplante Walderholungsplatz ist Teil eines naturverträglichen, waldpädagogischen Gesamtkonzepts. Dabei sollen ökologische Aspekte (Artenschutz, etwa Biber- und Amphibienlebensraum; Waldumbau, vom Fichtenforst zum klimatoleranten Mischwald) und kulturgeschichtliche Aspekte (Lehmabbau samt Renaturierung) thematisiert werden. Zwar ist weiterhin ein Spielplatz geplant, nur wird er so nicht mehr genannt, sondern heißt nun Walderholungsplatz. Das ist Teil einer Sprachregelung, die den Kompromiss sucht.

Heinz Utschig, Forstbetriebsleiter der Bayerischen Staatsforsten in Wasserburg, hat gar nichts gegen das vom Isenwerk entwickelte Vorhaben. Der Platz im Sollacher Forst "ist ein guter Platz, warum soll man das da nicht machen?" Gegen einen Ort im Wald, an dem Kinder spielen, hat er gar nichts einzuwenden. Im Ebersberger Forst haben die Bayerischen Staatsforsten Ähnliches selbst gemacht. "Ich finde die Idee schön und richtig." Dass Naturschützer die Gelbbauchunken im Wald in Gefahr sehen, "finde ich persönlich etwas weit hergeholt". Eigentlich bräuchte es gar keine förmliche Baugenehmigung, doch um Transparenz und Klarheit zu schaffen, habe er mit der Gemeinde vereinbart, in diesem Fall doch ein solches Verfahren vorzunehmen. Im Endeffekt nur aus einem Grund: Die Naturschutzprofis der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Erding werden eingebunden und können die Sache beurteilen. Das sei doch mehr wert, als wenn "das am Wirtshaustisch ausdiskutiert wird".

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Die drei weniger umstrittenen Wandelwege zu drei verschiedenen Themen sind von der jungen Forstwissenschaftlerin Franziska Kraus ausgearbeitet worden. Ihr Konzept geht so: Anhand von QR-Codes auf kleinen Schildern, die an Bäumen befestigt werden, lassen sich mit einem Smartphone Audiotracks aufrufen, die den Spaziergängern etwas über Biber, Lehmabbau und Wald-Renaturierung erzählen. In jedem Fall sind es Themen des Waldes als Kulturlandschaft.

Kraus hat bei Professor Michael Suda studiert, der sich seit vielen Jahren an der TU München in Weihenstephan mit der Waldnutzung in soziologischer Hinsicht beschäftigt. Die intensive, teils heftige Diskussion über die Walderholung oder den Spielplatz im Sollacher Forst, wundert ihn nicht. Der Wald beschäftige so viele Leute, die ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen mit ihm verbinden. Für Kinderuni-Veranstaltungen habe sein Team das einmal unter einem griffigen Titel zusammengefasst: "Im Wald da ist die Hölle los." Dabei wollten doch alle im Wald runterkommen und ein positives Erlebnis haben. Das gehe letztlich, wie überall im Leben auch im Wald nur, wenn man die "Ansprüche der anderen anerkennt".

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