Süddeutsche Zeitung

Nach Modernisierung:Ratschen in historischem Gemäuer

Lesezeit: 2 min

Bei der Einweihung des behutsam renovierten Begegnungshauses am Rätschenbach 12 in Erding sind viele Besucher vom Flair des alten Bürgerhauses beeindruckt. In den Wänden steckt modernste Architektur

Von Thomas Jordan, Erding

Wer in der Großen Kreisstadt neue Leute treffen will, kann in Zukunft den Weg über die Garage nehmen. Denn wo früher die Autos unterkamen, ist von jetzt an der Haupteingang des frisch renovierten Begegnungshauses am Rätschenbach 12, mitten in der Erdinger Altstadt. Der Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes will hier in Kürze den Betrieb eines Begegnungscafés für Senioren aufnehmen. Im Erdgeschoss mit der lang gestreckten Holzbar soll es immer freitags einen Mittagstisch für Bedürftige geben und im Dachgeschoss hat künftig der Kunstverein Erding ein festes Zuhause. Kunst-Workshops sollen hier stattfinden, auch eine Druckerpresse wird vor Ort sein. "Jetzt ist einfach mehr möglich", sagt Peter Breth, der Vorsitzende des Kulturvereins. Am 27. März rechnen die Kunstfreunde mit der Schlüsselübergabe.

OB Max Gotz (CSU) sprach bei der Einweihung am Freitagmittag von einem "Juwel der Altstadt". Ein Juwel übrigens, das mitgut 1,8 Millionen nicht eben billig ausfällt. Das aber den geplanten Kostenrahmen kaum, nämlich nur um 0,1 Prozent überschreiten soll, wie der OB betonte. Der Stadthaushalt selbst wird durch das neue Begegnungshaus mit etwa 700 000 Euro belastet. Die restlichen Kosten werden über Finanzhilfen, etwa von der Bayerischen Landesstiftung, gedeckt.

Es stelle an sich schon eine Besonderheit dar, dass man ein ganz normales Bürgerhaus denkmalgeschützt saniere, heißt es aus dem Stadtbauamt. Die spezielle Herausforderung am Rätschenbach 12 war aber, das Haus trotz der Umbauten wieder auf den optischen Stand von früher zu bringen. Man sieht es den schlichten, weiß verputzten Wänden nicht an. Aber dahinter liegen nun innovative mineralische Dämmmaterialien, wie der Vertreter des Architekturbüros Rieger betonte. Auch die Holzbalkendecken aus der Barockzeit im Dachgeschoss, wo sich künftig die Künstler treffen, wurden erhalten. Und direkt neben der Bar im Erdgeschoss befindet sich jetzt eine großräumige, rollstuhlgeeignete Behindertentoilette. Kreative Umnutzung eines alten Gebäudes könnte man das nennen. Oder, wie es der Architekt Udo Rieger formulierte: "Aus dem oiden Graffel ist etwas geworden."

Das Stadtbauamt erhofft sich durch die Umbauten ein "hohes Maß an Interaktivität und Variabilität". Durch eine schlichte Glastür ist jetzt etwa ein direkter Durchgang vom Rätschenbach 12 in das erste Stockwerk der Stadtbücherei möglich. Und direkt neben der Verbindungstür liegen kleinere Räume, die sich gut für Lesezirkel eignen.

Bei der Begehung des neu renovierten Begegnungshauses schwärmten dann auch viele Vertreter aus Politik und Kirche vom speziellen Flair des neuen Hauses. Und das, obwohl das gesamte Gebäude noch unmöbliert ist. Nur selten hört man einen Skeptiker wie Stadtrat Herbert Maier. Der Grüne hadert mit der aufwendigen Sanierung: "Man hätte es auch einfach abreißen können", sagt er, "dann hätte man eine höhere Qualität gehabt, und vielleicht auch niedrigere Kosten." Der Charme eines alten Bürgerhauses wäre dann freilich auch weg gewesen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3918358
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.03.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.