Süddeutsche Zeitung

Museum Erding:Nostalgie und Zukunftsvision

Die Sonderausstellung "150 Jahre Endstation Erding" geht auf dem Zeitstrahl in zwei Richtungen, von der Königlich Bayerischen Eisenbahn zum Erdinger Ringschluss. Und ganz nebenbei wird dabei eines klar: Planung und Realität sind doch zwei sehr verschiedene Dinge.

Von Florian Tempel, Erding

Die Eröffnung der neuen Sonderausstellung war absolut punktgenau. Auf den Tag exakt 150 Jahre nach der Inbetriebnahme der Bahnstrecke von Markt Schwaben nach Erding fand man sich vor einer Woche im Museum Erding zu einem kleinen Jubiläumsfestakt ein. Auch wenn es mit der legendären Pünktlichkeit der Bahn nicht mehr so weit her ist, herrscht in Erding in Sachen Eisenbahnverkehr keineswegs nur nostalgische Wehmut nach guten alten Zeiten, sondern auch positive Aufbruchstimmung und Vorfreude. Die Geschichte der Eisenbahn ist hier nicht nur Vergangenheit, sondern ein Zukunftsthema: Der Ringschluss kommt, dazu ein moderner neuer Tiefbahnhof auf dem dann ehemaligen Fliegerhorstgelände und ein Tunnel durch die halbe Stadt.

Der Titel "150 Jahre Endstation Erding" ist perfekt gewählt. Geschichtlich stimmt es ja, obwohl Erding eigentlich nie Endstation sein sollte, und in die Zukunft gerichtet schwingt etwas Ironie mit. Eine große Tafel in der Ausstellung verdeutlicht sehr eindrucksvoll, dass Planung und Realisierung zwei ganz verschiedene Dinge sind. So wurden 1862/63 Bahnverbindungen über Erding nach Taufkirchen, Vilsbiburg und Eggenfelden bis ins österreichische Schärding projektiert. Vier Jahre später, bei der Planung der Bahnlinie über Dorfen nach Mühldorf und weiter bis Simbach, war Erding noch auf der Strecke dabei. Eine andere, nicht realisierte Planung sah eine Verbindung von Pfaffenhofen über Freising nach Erding und weiter über Isen bis Rosenheim vor. Der Weiterbau hinter Erding über Wartenberg und Landshut war richtig fest eingeplant, wurde aber auch nie was, von einem zweiten Gleis ganz zu schweigen.

Bahnhofsgaststätte und Lagerhäuser gibt es nicht mehr, auch die Tage des Fliegerhorsts mit eigenem Gleisanschluss sind gezählt

Erding blieb, entgegen aller Wünsche und Beteuerungen, 150 Jahre lang Endstation, als ob gleich dahinter eine Einöde anfangen würde. Auf einst landwirtschaftlich genutzten Flächen südöstlich der Stadt wurde die Station Erding errichtet, die hier auch immer geblieben ist, aber längst nicht mehr außerhalb liegt. Im Umkreis hat sich freilich viel geändert. Bahnhofsgaststätte und Lagerhäuser gibt es nicht mehr, auch dem nahe gelegenen Fliegerhorst mit seinem eigenen Gleisanschluss ist ein Ende vorgezeichnet. Von den Bahnstationen entlang der Strecke ist als Einziger hingegen der Bahnhof in Wifling im Jahr 1971 aufgelassen worden, ein Jahr, bevor im Olympiajahr 1972 die Strecke elektrifiziert und für den S-Bahn-Betrieb umgebaut wurde.

Die Ausstellung zeichnet die Entwicklung der Eisenbahn in mehreren Kapiteln sehr anschaulich und sehenswert nach. Mit schönen Exponaten, die man erwartet, wie etwa alte Fahrkarten, Schilder und Abfahrtstafeln. Dazu gibt es reichlich aussagekräftige Fotos und Dokumente aus den Archiven des Museums und der Stadt. Daneben gibt es eine digitale Visualisierung von Thomas Schöberl über die Eröffnung der Bahnstrecke im Jahr 1872, Streckenvideos aus der Sicht des Lokführers und einen Imagefilm der bayerischen Staatsregierung zum Erdinger Ringschluss. Matthias und Philipp Holl haben zudem einen Modelleisenbahn-Ringschluss gebastelt, auf dem alle 15 Minuten zwei S-Bahnen mit originalem Münchner S-Bahn-Sound ihre Runden drehen.

Die Deutsche Bahn will nach dem aktuellen Zeitplan Ende 2029 den neuen Bahnhof eröffnen

Ein weiterer Höhepunkt der Ausstellung ist das 3-D-Modell des künftigen Tunnelbahnhofs. Um zu veranschaulichen, wie die S-Bahnen unterirdisch in den Tiefbahnhof ein- und ausfahren werden, ist das Modell aufgeschnitten und gewährt so den richtigen Einblick. Der Teil unter der Erde wird von der Deutschen Bahn gebaut werden, nach dem aktuellen Zeitplan will man Ende 2029 fertig sein. Oben wird die Stadt Erding Bauherr des neuen Bahnhofsareals sein. Geplant ist ein 140 Meter langer Gebäudekomplex mit typischer Bahnhofsinfrastruktur, der zugleich auch Busbahnhof mit 17 Haltebuchten ist. Drei große Glasdächer lassen Licht nach unten in den Bahnsteigbereich durch. Im Museum kann man sich das schon mal anschauen. Wann es Realität wird und ob das Bahnhofsquartier auch dann noch schick rüberkommt, bleibt vorerst abzuwarten.

Die Sonderausstellung ist bis zum 29. Mai 2023 zu sehen und kann zu den Museums-Öffnungszeiten dienstags bis sonntags von 13 bis 17 Uhr besucht werden.

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