WohnenEine Nummer zu groß – Erding lehnt Bau eines 18-stöckigen Wohnturms ab

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Hochhäuser gibt es in Erding nicht viele. Hier im Bild „Max + Moritz“ an der Wendelsteinstraße in Altenerding.
Hochhäuser gibt es in Erding nicht viele. Hier im Bild „Max + Moritz“ an der Wendelsteinstraße in Altenerding. (Foto: Stephan Görlich)

München streitet über zwei Wolkenkratzer, Erding hat Pläne für einen 18-stöckigen Wohnturm bereits beerdigt. Gibt es überhaupt Hochhäuser in der Herzogstadt? Doch, und sie haben sogar einen Namen: Max und Moritz.

Von Regina Bluhme, Erding

In München sorgen zwei geplante 155-Meter-Hochhäuser für heftige Debatten. Die Initiative „Hochhaus-Stop“ fürchtet unter anderem um die Silhouette der bayerischen Hauptstadt, der Stadtrat hat das Bürgerbegehren jetzt erst einmal für unzulässig erklärt. In Erding, knapp 30 Kilometer nördlich der bayerischen Hauptstadt, ist kürzlich ein immerhin 18-stöckiger Wohnturm abgelehnt worden. Eine Nummer zu groß für uns, hieß es. Aber wie hoch ist eigentlich das höchste Gebäude in Erding?

Es ist ein außergewöhnliches Projekt, das Jürgen Freiwald vor drei Jahren im Erdinger Stadtrat präsentiert hat: Wohnen und Arbeiten im Gewerbegebiet Bergham, dazu ein 18-stöckiges Gebäude mit einer Gesamthöhe von 55 Metern. Die Erdinger Stadträte waren skeptisch wegen des Turms. Ein Wolkenkratzer passe nicht in das Gebiet, da werde es auf jeden Fall Einwände des Landesamts für Denkmalpflege geben wegen der Schlossanlage im benachbarten Aufhausen, hieß es im Stadtrat.

Zudem würde das Gebäude sogar den Stadtturm in der Altstadt überragen und überhaupt fürchtete man eine, wie auch immer geartete, künftige „Erdinger Skyline“. Aktuell wird das geplante Projekt in Bergham – ohne Wolkenkratzer – überarbeitet. Architektin Ruth Berktold erstellt zusammen mit der Stadt den künftigen Bebauungsplan für das Areal und ist immer noch überzeugt, „der Turm hätte schon gepasst“.

Berktold ist Professorin an der Hochschule München, saß sechs Jahre in der Stadtgestaltungskommission München und gründete das Architekturbüro Yes Architecture mit Hauptsitz in München und einer Niederlassung in New York. Sie findet auch das Projekt der 155-Meter-Türme in München zukunftsweisend.  Man müsse sehen, „wie viel Wohnraum und wie viele Arbeitsplätze damit geschaffen werden“.

Wann ist ein Hochhaus ein Hochhaus? Sobald der „Fertigfußboden des obersten Geschosses“ über 22 Metern liege, erklärt die Münchner Architektin und Stadtplanerin Ruth Berktold. Bei nicht vorhandenen Bebauungsplänen regelt der Paragraf 34 des Bayerischen Baugesetzbuches „die Einfügbarkeit“: ob das Bauvorhaben in Bezug auf „Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und Grundstücksfläche den Charakter der Umgebung“ widerspiegelt.

Wohnen im Gewerbegebiet Bergham? Hier eine frühe Visualisierung. So wie im Bild zu sehen, wird es nicht kommen – auf jeden Fall nicht mit Turm. Der ist den Erdinger Stadträten viel zu hoch.
Wohnen im Gewerbegebiet Bergham? Hier eine frühe Visualisierung. So wie im Bild zu sehen, wird es nicht kommen – auf jeden Fall nicht mit Turm. Der ist den Erdinger Stadträten viel zu hoch. (Foto: Visualisierung: Yes Architecture (oh))
Ganz schön hoch: „Max + Moritz“ wurden in den 1970er Jahren erbaut. Erding hatte damals nichts dagegen.
Ganz schön hoch: „Max + Moritz“ wurden in den 1970er Jahren erbaut. Erding hatte damals nichts dagegen. (Foto: Stephan Görlich)

Gut, 18 Stockwerke sind für Erding offensichtlich eine Nummer zu groß. Aber es gibt immerhin „Max + Moritz“ in Altenerding: An der Wendelsteinstraße wurden in den 1970er Jahren ein neun- beziehungsweise zwölfgeschossiges Gebäude errichtet. Die beiden Wohnblocks sind umgeben von weiteren mehrgeschossigen Häusern, den „Sieben Zwergen“.

Damals habe niemand gegen die zwölf Stockwerke protestiert, weiß Burkhard Köppen, langjähriger Erdinger Stadtrat und Mitglied im Bau- und Stadtentwicklungsausschuss. „Aber ein bisschen blöd dahergeredet“ hätten die Erdinger damals doch über das neuentstandene „Brenninger Chicago“.

Benannt wurde im Volksmund das neue Wohnviertel nach dem damaligen Altenerdinger Bürgermeister Sepp Brenninger - und Chicago, der Heimat von Al Capone, dem berüchtigten Gangsterboss der 1930er Jahre. Inzwischen gilt die Stadt schon lange als eine der schönsten in den USA. Dort wurde übrigens ziemlich zeitgleich mit Max + Moritz in den 70er Jahren der Searstower (heute Willistower) errichtet, der mit seinen 527 Metern viele Jahre als höchstes Gebäude der Welt galt.

Der Erdinger Stadtturm überragt die rote Schrannenhalle und die Pfarrkirche St. Johannes.
Der Erdinger Stadtturm überragt die rote Schrannenhalle und die Pfarrkirche St. Johannes. (Foto: Renate Schmidt)
Tolle Aussicht vom Stadtturm auf die Altstadt mit dem Erdinger Rathaus (links) und dem Schönen Turm am Ende der  Landshuter Straße.
Tolle Aussicht vom Stadtturm auf die Altstadt mit dem Erdinger Rathaus (links) und dem Schönen Turm am Ende der  Landshuter Straße. (Foto: Stephan Görlich)

Burghart Köppen muss schon eine Zeitlang überlegen, bis ihm ein weiteres Hochhaus in Erding einfällt, viele sind es jedenfalls nicht. An der Theodor-Ortner-Straße stehe ein immerhin zehnstöckiger Wohnblock. Auf lange Sicht werden Max + Moritz wohl die höchste Wohngebäude in Erding bleiben, ist Köppen überzeugt.

Auch auf der Konversionsfläche des Fliegerhorsts Erding, auf dem die Stadt Erding einen komplett neuen Stadtteil plant, halten sich die Gebäudehöhen in Grenzen, „es sind nicht mehr als sechs Stockwerke“, so Köppen. Ein „richtiges“ Hochhaus ist jedenfalls nicht dabei. Professor Mathias Hähnig vom Büro Hähnig Gemmeke Architekten aus Tübingen hatte bei einer Präsentation im vergangenen Jahr betont, dass möglichst viele der bestehenden Strukturen am Fliegerhorst genutzt werden sollen. „Wir planen mit bekannten Bausteinen. Sie sind prägende Orte, die Erding seine spezifische Gestalt geben.“

Bis zu 44 Meter sind an der Dachauer Straße möglich

Wie Oberbürgermeister Max Gotz informiert, sind in Erding durchaus höhere Gebäude erlaubt. Laut Bebauungsplan seien zum Beispiel an der Dachauer Straße bis zu 44 Metern an Gebäudehöhe möglich. Die Großbäckerei Wünsche beim Gewerbebau plane auch Großes in Erding. Auf dem Areal des ehemaligen Reiterhofs von Fischers Wohltätigkeitsstiftung soll ein Backzentrum errichtet werden. Bis zu 37 Meter hoch werde das Hauptgebäude.

Am Kletthamer Feld wiederum wollte das Unternehmen Alpha Tonträger Vertriebs GmbH einst einen 45 Meter hohen Büroturm errichten, dann sollten es 25 Meter werden, und am Ende kam etwas ganz Anderes dabei heraus: ein kubusförmiges, dreistöckiges Verwaltungsgebäude mit einer modernen Glasfassade.

So bleibt wohl letzten Endes der Erdinger Stadtturm aus dem 13./14. Jahrhundert als höchstes Bauwerk, ja Wohngebäude der Stadt. Bis 1945 befand sich im obersten Stockwerk eine Dienstwohnung für den Turmwächter. Insgesamt bis hin zur Spitze misst der Turm unschlagbare 51,8 Meter.

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