Süddeutsche Zeitung

Mord in Erding:Verdacht auf Mord an Ehefrau: Frauenarzt wohl in Chile gefasst

  • Ein früherer Erdinger Frauenarzt steht unter dem Verdacht, seine Frau umgebracht zu haben. Aus Mangel an Beweisen war er allerdings nach langem Prozess freigesprochen worden.
  • Doch der Bundesgerichtshof kassierte den Freispruch und ordnete eine Neuauflage des Prozesses an.
  • Der Arzt war in der Zwischenzeit nach Chile ausgereist - dort haben ihn Zielfahnder nun offenbar aufgespürt.

Von Florian Tempel

Der ehemalige Erdinger Frauenarzt Michael B. ist offenbar in Chile festgenommen worden. Der 57-Jährige war nach einem langwierigen Indizienprozess Anfang 2015 vom Vorwurf, er habe seine Ehefrau getötet, mangels Beweisen freigesprochen worden. Im Dezember 2015 hob dann der Bundesgerichtshof (BGH) den Freispruch des Landgerichts Landshut auf und ordnete eine Neuauflage des Prozesses an. Michael B. hatte sich allerdings wenige Tage vor der BGH-Entscheidung bereits nach Südamerika abgesetzt. Ob und wann er nun für einen zweiten Prozess ausgeliefert wird, bleibt vorerst ungewiss.

Chile hat kein Auslieferungsabkommen mit Deutschland und liefert Verdächtige nur nach eigenem Ermessen nach einer Einzelfallprüfung durch den Obersten Gerichtshof aus. Dass man als Straftäter in Südamerika in Sicherheit wäre, gilt jedoch schon lange nicht mehr. Chile hat zuletzt erst im August einen mutmaßlichen Mörder ausgeliefert, der von der Staatsanwaltschaft Erfurt gesucht wurde.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Landshut, Thomas Steinkraus-Koch, will eine Verhaftung von Michael B. in Chile zwar weder bestätigen noch dementieren: "Kein Kommentar." Doch seine Zurückhaltung ist offensichtlich vor allem taktischen Gründen geschuldet: "So lange der nicht deutschen Boden unter den Füßen hat, werden wir uns dazu nicht äußern." Auch der Pflichtverteidiger von Michael B., der Münchner Rechtsanwalt Matthias Schütrumpf, umschifft vielsagend eine klare Antwort auf die Frage, wo sich sein Mandant befindet: "Das würde ich ungern beantworten", sagt Schütrumpf, fügt dann aber an, eine Festnahme in Chile zu dementieren, "wäre nicht zutreffend".

Die Tat, die dem Gynäkologie-Professor Michael B., zur Last gelegt wird, hat sich vor bald drei Jahren ereignet. Am Abend des 4. Dezember 2013 hatte er, kurz nachdem er aus seiner Praxis in der Erdinger Innenstadt nach Hause zurückgekommen war, einen Nachbarn um Hilfe gerufen. Seine damals 60 Jahre alte Ehefrau lag tot im Bad im ersten Stock seines Reihenhauses im Stadtteil Pretzen. Ein Notarzt und Kripobeamte schätzten die Lage am Tatort zunächst völlig falsch ein. Sie glaubten, die Frau sei bei einem unglücklichen Sturz ums Leben gekommen.

Der Tatort wurde nicht als solcher erkannt und mögliche Spuren nicht gesichert. Michael B. durfte sogar mit Erlaubnis der Polizei den Tatort putzen. Erst bei der Obduktion wurde klar, dass die Frau Opfer eines Gewaltverbrechens geworden war. Sie war erst übel verprügelt und schließlich erstickt und erwürgt worden. Michael B., der stets seine Unschuld beteuerte, wurde verhaftet und saß bis zu seinem Freispruch mehr als ein Jahr in Untersuchungshaft.

Die Beweise für die Schuld fehlten

Während des Prozesses wurden viele Hintergründe zur komplizierten familiären Situation des Angeklagten bekannt, sowie mögliche Motive und Tatabläufe durchleuchtet - doch dem Gericht waren die Indizien zu wenig. Die Vorsitzende Richterin sagte in der Begründung des Freispruchs, Michael B. sei zwar sehr wohl tatverdächtig. Ein überzeugender und eindeutiger Nachweis, dass er seine Ehefrau umgebracht habe, lasse sich für aber nicht führen. Die Staatsanwaltschaft legte Revision ein und hatte Erfolg. Der BGH bemängelte die Begründung des Freispruchs und hob das Urteil auf.

Michael B. war da schon nicht mehr in Deutschland. Nach dem Ende des Prozesses war er nach Osnabrück gezogen, wo er das Haus seiner Eltern geerbt hatte. Wenige Tage, bevor sein Freispruch aufgehoben wurde, flog er nach Chile. Die Ausreise war ganz und gar legal, da er bis dahin ein freier Mann war. Erst durch die BGH-Entscheidung wurde er wieder zu einem tatverdächtigen Angeklagten. Bis ein Haftbefehl gegen ihn erging, dauerte es Wochen. Die neuen Richter mussten sich erst in die Akten einlesen. Mit der Suche nach Michael B. wurden schließlich die Zielfahnder des Landeskriminalamts beauftragt, die wenig Mühe hatten, ihn aufzuspüren.

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Quelle:
SZ vom 25.10.2016/vewo
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