Geflüchtete:Asylunterkünfte aus eigener Hand

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Vor acht Jahren ließ der Bund am Fliegerhorst in aller Eile ein riesiges Ankunftszentrum für Geflüchtete einrichten. Das gibt es schon lange nicht mehr. Die Unterbringung von Asylsuchenden muss nun von den Gemeinden selbst organisiert werden. (Foto: Renate Schmidt)

Immer mehr Kommunen im Landkreis nehmen die Unterbringung von Asylsuchenden selbst in die Hand. Weil es nicht anders geht und weil die Gemeinden so mehr Entscheidungsmöglichkeiten haben, als wenn ein Investor mit fertigen Plänen kommt.

Von Florian Tempel, Moosinning/Neuching

Sankt Wolfgang war die erste Gemeinde im Landkreis, die die Sache selbst in die Hand genommen hat, weitere Kommunen machen es nun ebenso. In Neuching will die Gemeinde im Gewerbegebiet Lüsswiesen auf einer Fläche, die bislang als Parkplatz genutzt wird, eine Unterkunft in Modulbauweise für 40 Geflüchtete errichten. Auch in Moosinning plant die Kommune, selbst zu bauen. Am Dienstagabend waren Anwohner der Birkenstraße südlich von Eichenried ins Moosinninger Rathaus zu einem Gespräch über die Absichten der Gemeinde eingeladen. Teilnehmer loben die offene und konstruktive Atmosphäre des Treffens, bei dem ein weiterer Austausch der Gemeindeverwaltung mit den Bürgerinnen und Bürgern zugesichert wurde.

Rolf Pietschmann ist einer der Anwohner. Er und seine Frau Stefanie wohnen seit etwa 30 Jahren in der einige hundert Meter südlich von Eichenried gelegenen Nachbarschaft an der Birkenstraße. Die Siedlung besteht an dieser Stelle aus gut einem Dutzend Anwesen links und rechts der Straße und ist umgeben von landwirtschaftlichen Flächen. Es gibt nur noch eine Baulücke, ein unbebautes Grundstück, das der Gemeinde Moosinning gehört - und auf dem eine Asylunterkunft verwirklicht werden könnte.

Die Pietschmanns und ihre Nachbarn waren vor Kurzem schriftlich darüber von Bürgermeister Georg Nagler (SPD) informiert und zu einem Treffen im Rathaus eingeladen worden. "Es war ein sehr interessantes und konstruktives Gespräch", sagt Pietschmann am Tag danach, "wir haben lange und sachlich darüber gesprochen, ohne Konfrontation." Er empfindet die Herangehensweise - nach der zugegeben ersten Aufregung - als durchaus gelungen. Dass Anwohner in einem frühen Stadium eingebunden und ernst genommen werden, ist für ihn eine gute Erfahrung. "Das ist der Weg, wie das funktionieren kann."

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Für seine Ehefrau Stefanie Pietschmann ist das Ganze ein Déjà-vu-Erlebnis der besonderen Art. Die Architektin hat früher im Baureferat München gearbeitet und war jahrelang mit dem Bau von Asylunterkünften in der Landeshauptstadt befasst. Nun findet sie sich nicht mehr auf der Seite einer planenden Kommune wieder, sondern in der Gruppe der späteren Nachbarn einer Asylunterkunft. Beim Treffen im Moosinninger Rathaus hat sie Bürgermeister Nagler angeboten, ihr berufliches Wissen und ihre Erfahrungen bei diesem Thema einzubringen.

Nagler hat das gerne angenommen, "wir wollen uns schon nächste Woche zusammensetzen". Die Pietschmanns sehen das Grundstück schräg gegenüber ihres Hauses nicht als ideal an und haben vor allem Bedenken, ob eine Unterkunft für womöglich 50 Menschen an dieser Stelle nicht überdimensioniert wäre.

Bürgermeister Nagler bekräftigt, dass er sich "ein gutes Miteinander" mit den späteren Nachbarn einer Asylunterkunft an der Birkenstraße oder auch an jeder anderen Stelle wünsche. Derzeit würden er und die Mehrheit des Gemeinderats zwar das Grundstück dort als besten machbaren Standort ansehen, weil es im Eigentum der Kommune und voll erschlossen ist. "Wir wissen aktuell keine bessere Lösung." Beim Treffen am Dienstag seien aber auch andere Grundstücke angesprochen worden, deren Verfügbarkeit und Eignung nun geprüft werden soll.

Dass seine Gemeinde die Sache selbst in die Hand genommen habe und "proaktiv" eine Unterkunft schaffen will, ist für Nagler in jedem Fall die richtige Entscheidung. Seit etwa einem halben Jahr ist die Turnhalle in Eichenried als Notquartier für 35 junge Geflüchtete zweckentfremdet. Das könne keine Lösung auf Dauer sein, sagt der Bürgermeister, für niemanden.

"Der Druck wird immer größer, wir haben gar keine andere Wahl mehr"

In der Nachbargemeinde Neuching ist Bürgermeister Thomas Bartl (CSU) schon weiter. Die Suche nach einer geeigneten Fläche ist abgeschlossen. Auf dem Parkplatz im Gewerbegebiet Lüsswiesen soll eine Modulbau-Unterkunft für 40 Menschen errichtet werden. Auch hier waren die mitentscheidenden Aspekte für die Standortfindung, dass das Grundstück der Gemeinde selbst gehört und es voll erschlossen ist. Direkte Nachbarschaft gibt es dort keine. Die Pläne sind bereits gezeichnet und der Bauantrag ist zum Landratsamt unterwegs.

Bartl betont, dass die Gemeinden gezwungen sind, selbst Unterkünfte für Asylsuchende zur Verfügung zu stellen, weil anderweitig kein Wohnraum vorhanden ist. "Der Druck wird immer größer, wir haben gar keine andere Wahl mehr." Dass eine Gemeinde bei Eigeninitiative mehr entscheiden kann, als wenn beispielsweise ein Investor wie in Erding-Bergham fertige Pläne vorlegt, die angesichts der aktuell angespannten Situation dann auch sicher genehmigt werden, ist für Bartl nur ein kleiner positiver Nebeneffekt.

"Natürlich möchte man Mitsprache haben", sagt er. Doch das kann seine generelle Kritik bei Weitem nicht aufwiegen: "Wir fühlen uns von der Bundesregierung im Stich gelassen." Auch weil es naheliegende Lösungen gäbe: Dass im Fliegerhorst Erding partout keine Unterbringung von Asylsuchenden möglich sein soll, sei für ihn "nicht nachvollziehbar".

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