Süddeutsche Zeitung

Moosgeister in Erding:Regen auf Fell

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Die Moosgeister kämpfen in Erding gegen das schlechte Wetter an. Nur etwa 400 Besucher kommen zu dem traditionellen Faschingstreiben

Von Veronika Wulf, Erding

Glubschaugen, lange Hakennasen, zottelige Felle: Abschreckende Gesellen haben sich gestern Nachmittag in der Erdinger Innenstadt herumgetrieben. Zunächst waren außer diesen Moosgeistern kaum Zuschauer in der Langen Zeile, denn auch das Wetter war: abschreckend. Doch kalter Wind und Regen machen Tobias Kapfer, Moosgeist seit 30 Jahren, nichts aus. "Das Fell hält das ab", sagte er, die schwere Holzmaske auf der Stirn, ein abgewetztes Rehfell im Nacken. "Nur wegen der Besucher ist es etwas schade." Mehr als 1000 Euro sei so eine geschnitzte Maske wert. Die meisten Moosgeister haben sie von Walter Schweinberger, dem Erfinder dieser Faschingstradition. Seit 1983 wird sie in Erding abgehalten. Auch wenn Schweinberger 2015 gestorben ist, lebt der recht junge Brauch weiter, und die Moosgeister treffen sich noch immer vor der Stadtapotheke, die Schweinberger jahrzehntelang gehört hatte.

"Weine nicht, wenn der Regen kommt"

Knapp vierzig Moosgeister, manche mit Efeu auf dem Rücken oder Tannenzweigen am Hut, zogen gegen 14 Uhr los, die kleinen mit ihren Trommeln voran. Es schüttete. "Weine nicht, wenn der Regen kommt", wummerte es passend vom Kleinen Platz herüber. Den bimmelnden, rätschenden, trommelnden Zottelwesen schlenderten zunächst etwa fünfzig Zuschauer unter ihren Regenschirmen hinterher, viele ohne Verkleidung. Aber auch hellblaue Einhörner mit Regencapes, Hexen und Kurzhals-Giraffen waren unter ihnen. Und natürlich: Cowboys und Indianer, das geht immer. Die Moosgeister schmierten ihnen traditionsgemäß grüne Farbe ins Gesicht. Eine kleine Piratin wich ängstlich zurück. "Das ist eigentlich immer wieder nett mit den Moosgeistern", sagte eine als Mexikanerin verkleidete Frau aus Erding. Sie komme jedes Jahr. "Aber heuer?", sie schielte zum Himmel, "nass, kalt und leer." Später ginge es in die Gaststube. Wärme von innen.

Die Stadt Erding hatte wieder ein striktes Schnapsverbot zwischen 12 und 20 Uhr ausgerufen. Ein junger Mann im bunten Anzug, der selbst nicht so genau wusste, was sein Kostüm darstellen sollte, stand inmitten einer Gruppe von Teletubbies. Sie rochen nicht nüchtern. "Nur Dosenbier", sagte der Anzugträger grinsend, "kein Schnaps und keine Glasflaschen." Da halte man sich natürlich dran. "Wir wollen ja nicht an Fasching einen Platzverweis bekommen." Obwohl eine Leopardin und eine Pandafrau eine Ecke weiter gerade einen Feigenschnaps runter kippten, war die Polizei zufrieden. "Total ruhig und friedlich", fasste Polizist Konrad Ecker am frühen Abend zusammen. "Keine Alkoholleichen, kein Eingreifen." Es seien aber auch nur rund 400 Besucher da gewesen, viel weniger als in den vergangenen Jahren.

Weder betrunken noch ausgelassen

Betrunken wirkte am späten Nachmittag tatsächlich keiner. So richtig ausgelassen aber auch nicht. Wie läuft es beim Wurststand, der mit 1/2-Meter-Würsten wirbt? "Beschissen", sagte der Wurstverkäufer grimmig. Nachdem die Moosgeister aber dreimal die Lange Zeile entlang gezogen waren und mit dem schwarzen Kalb symbolisch das Böse ausgetrieben hatten, kam etwas Stimmung auf. Eine Polonaise zog sich grölend die Straße entlang. Sie stoppte vor der Wurstbude. Jetzt lächelte auch der Wurstverkäufer ein bisschen.

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Quelle:
SZ vom 01.03.2017
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