Modehaus Kraus am Schrannenplatz:Ein wärmender Mantel

Am 1. April 1965 hat Hermann Kraus das Modehaus seiner Eltern übernommen, seit 50 Jahren leitet er nun das Geschäft am Schrannenplatz. Zeit für ein Fazit - und einen Ausblick.

Von Tanja Kunesch, Erding

"1642" prangt in goldenen Lettern am Modehaus Kraus am Schrannenplatz. Damit ist das Geschäft eines der ältesten noch bestehenden Bekleidungshäuser in ganz Deutschland. Auch der derzeitige Geschäftsführer Hermann Kraus kann auf eine lange und turbulente Zeit zurückblicken. Am 1. April werden es für ihn 50 Jahre im Haus Kraus.

Das Geschäft fand seine Anfänge bereits im Jahr 1642, damals war es ein Musterlager mit Verkaufsstelle. Nach einigen Besitzerwechseln fiel das Haus 1832 Ignaz Max Kraus zu und wurde seither im Namen Kraus geführt. Mit knapp 21 Jahren übernahm Hermann Kraus Anfang April 1965 schließlich das "Traditionsgeschäft am Erdinger Schrannenplatz". Ein bisschen habe ihn seine Mutter schon gedrängt, das Geschäft nach dem Tod des Vaters zu übernehmen, sagt er. "Und dann bin ich ins kalte Wasser gesprungen." Seine erste Amtshandlung war die Modernisierung von Laden und Fassade. Mit dem Einbau großer Schaufenster habe er "brutal" in das historische Stadtbild Erdings eingegriffen. Sein Ziel: einen "neuen, modernen Kraus" zu schaffen, ganz im Sinne des damaligen Zeitgeistes. "Im Nachhinein wundert man sich über den Mut, den man als junger Mann hatte", sagt Kraus. Die Baumaßnahmen waren so groß, dass der Betrieb sogar für ein halbes Jahr umziehen musste.

Ab 1974 übernahm Kraus dann in der siebten Generation die Alleinverantwortung für das Familiengeschäft und machte aus dem einstigen Kaufhaus zunächst ein Textilhaus, bis es zu dem reinen Modehaus wurde, das es heute ist. Mit steigendem Angebot an Waren sei eine Spezialisierung notwendig gewesen, um eine gutes Angebot bieten zu können, begründet Kraus diesen Weg. Gemäß seinem Motto "Konzentration statt Expansion" hat sich das Modehaus seit den 1990ern auf Damenoberteile spezialisiert. Viele weitere Umbauten folgten und schließlich wurde die Erdgeschossfassade in Anlehnung an das ursprüngliche Aussehen modernisiert, und fügt sich nun wieder "harmonisch" in das historische Stadtbild von Erding ein. Was ihm in all den Jahren wichtig war? Kraus sagt, er sei stets bestrebt gewesen, den Zeitgeist einzufangen. "Wie viele anerkannte und gute Geschäfte in Bayern schon aufgegeben haben! Ich finde gerade das Persönliche wichtig. Sonst sehen irgendwann jeder Laden und jede Stadt gleich aus."

An diesem "Persönlichen" mangele es dem traditionsträchtigen Geschäft bislang aber nicht: "Es kommen sogar Kunden extra aus München zu uns, weil sie wissen, dass sie hier gut beraten werden und alles überschaubar ist." Natürlich gebe es in einer so großen Stadt wie Erding auch einige Konkurrenten, sagt Kraus im Hinblick auf das Modehaus Gruber. "Aber ich denke, da haben wir durch unseren Service genauso eine Existenzberechtigung."

Wie weit das Bemühen um die Kunden über den gewöhnlichen Verkaufsrahmen hinaus reicht, das zeigt auch Hermann Kraus' persönliches Steckenpferd: Seit 25 Jahren bietet das Modehaus auch Theaterfahrten und Kulturreisen an. "Stammkundenpflege in Reinkultur" nennt er das und lacht. Die komme bei gut an, die Tickets seien meist schon nach wenigen Tagen weg. Die letzte Fahrt ging mit einhundert Leuten an den Bayerischen Hof, dort schauten sie Molières Komödie "Der Geizige".

Kraus steht auch selbst gern auf der Bühne. Bei etwa fünfzehn Produktionen der Volksspielgruppe Altenerding habe er schon mitgewirkt. "Sollten die Schwedenspiele hier wieder aufgeführt werden, übernehme ich gerne die Rolle des Pfarrers", bietet Kraus sich an. Doch sich nach 50 Jahren komplett aus dem Familiengeschäft zurückzuziehen und ausschließlich der Kultur zu frönen, das lehnt er ab. "Einen Mantel, der wärmt, legt man nicht so leicht ab, um einmal Georg Maier von der Iberl Bühne zu zitieren", sagt Kraus. Eigentlich sei er mit allem zufrieden, so wie es ist. "Als kleiner Junge hätte es mich vielleicht noch interessiert, Lehrer zu werden. Aber im Großen und Ganzen habe ich die Entscheidung für das Modehaus nicht bereut."

Spricht man ihn auf seine konkreten Zukunftspläne an, will Kraus nur verraten, dass "sich etwas anbahnt." Aber erst einmal werde er im kleinen Kreis mit ein bisschen Sekt auf seine 50 Jahre im Modehaus anstoßen.

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