Süddeutsche Zeitung

Mobile Jugendhilfe:"Das ist keine Null-Bock-Mentalität"

Lesezeit: 3 min

Andreas Götz von der Mobilen Jugendhilfe betreut fünf Gemeinden und eine nicht immer pflegeleichte Klientel

Thomas Daller

Die Sommerferien sind für Andreas Götz eine turbulente Zeit. Vielen Jugendlichen ist langweilig, und sie stellen Unfug an. Und außerdem reiht sich ein Volksfest an das andere - manche saufen dann bis zur Bewusstlosigkeit. Viel Arbeit für den Mann von der Mobilen Jugendhilfe, der gleich fünf Gemeinden im östlichen Landkreis betreut.

Heuer war es jedoch etwas ruhiger als sonst, sagte Götz. Für ihn ist das aber kein Grund, sich zurückzulehnen, sondern er nutzt die Gelegenheit, um mit Jugendlichen etwas zu unternehmen, die sonst nur rumhängen würden. Zum Beispiel war er mit 15 Jugendlichen in den Bergen wandern. "Die waren 14, 15 Jahre alt. Für zehn davon war es das erste Mal und nur fünf davon waren türkische Jugendliche, die traditionell wenig Bezug zum Skifahren oder Klettern haben. Bei den anderen hatten die Eltern kein Interesse, mit ihren Kindern mal einen Ausflug zu machen. Die rennen lieber ins Möbelhaus."

Vor allem die Kinder von "Zuagroasten" haben seiner Ansicht nach Probleme, wobei er selbst ein "Zuagroaster" ist und das nicht abwertend meint. Aber wenn eine Familie an einen neuen Ort zieht, dann lassen sie in der Regel Omas und Opas, Onkel und Tanten zurück, die notfalls auf die Kinder aufpassen. Ferner spielt es eine Rolle, ob in einer Gemeinde ein Raum für Jugendliche zur Verfügung steht, oder ob sie vor Getränkemärkten herumlungern, wo es billiges Bier gibt.

Das Saufen ist nach Götz' Einschätzung ein "Riesenproblem": "Es gibt sehr viele, die gar nichts trinken. Aber die, die trinken, trinken maßlos." Es gebe eine Gruppe, die ihm Sorge bereite, weil diese Jugendlichen von einem Volksfest zum anderen ziehe. Kinder, die sich selbst überlassen seien: "Wenn man die dann nachts um zwei auf der Straße trifft, fragt man sich schon, was ist das für ein Elternhaus?" Erschwerend komme hinzu, dass viele auch dann das Trinken nicht unter Kontrolle hätten, wenn ihr Schulabschluss bevorstehe und sie eigentlich büffeln müssten.

Götz bietet für schwierige Jugendliche Freizeitalternativen an. Er sagt, seine Lagerfeuerabende auf der Biberinsel in den Isenauen bei Wasentegernbach, wo er wohnt, seien sehr beliebt. "Ein traumhafter Platz. Die radeln sogar von Dorfen aus dorthin und bringen Freunde mit. Ich drücke auch ein Auge zu, wenn ein 15-Jähriger ein Bier trinkt. Aber Schnaps dürfen sie nicht mitbringen." Am Lagerfeuer komme man ins Gespräch und er erfahre dabei, wenn jemand selbst oder Dritte Probleme hätten. "Ich habe Kontakt zu vielen, die wiederum jene kennen, die gefährdet sind: Die sagen mir, wenn ein Freund abstürzt, weil sich dessen Eltern getrennt haben. In so einem großen Gebiet kann man nur mit einem Netzwerk arbeiten."

Ein weiteres Problem unter Jugendlichen sei Mobbing, erklärt Götz. Sein Lösungsansatz ist es, den Täter dazu zu bewegen, das Opfer in dessen Familie zu besuchen, den Täter mit seinen seelischen Grausamkeiten zu konfrontieren. "Das ist denen oft gar nicht bewusst."

Der mobile Jugendhelfer bricht auch eine Lanze für seine Klientel: "Schlimme Dinge wie exzessive Gewalt, die man aus den Medien kennt, kenne ich jetzt so nicht." Manchmal täten die Jugendlichen etwas, um Ältere zu schockieren: Kürzlich sei er informiert worden, dass ein paar Jugendliche unter Gegröle ein Fahrrad demoliert hätten und darauf herumgesprungen seien. Die Nachbarn, die die Szene beobachtet hätten, seien schockiert gewesen.

"Aber das war einfach nur ein altes Schrottradl", sagt Götz. "Es gibt nun mal eine Phase, in der Jugendliche gern provozieren." Man tue den Jugendlichen unrecht, wenn man unterstelle, sie seien nur auf Krawall aus und würden sich betrinken. Wenn man ihnen eine Aufgabe gebe, sehe man oft, was in ihnen stecke. Kürzlich haben ein paar Jugendlichen eine Wand im Dorfener Jugendtreff "Bingo" verputzt, und er bemühe sich bei der Stadt Dorfen immer um Ferienjobs. "Und wenn sie dabei noch ein bisschen Geld verdienen, sind sie stolz. Das ist keine Null-Bock-Mentalität."

Götz schätzt seine Erfolgsquote etwa 50 zu 50 ein. Manchen Jugendlichen könne er mit Gesprächen und Freizeitaktivitäten helfen, andere entwickelten sich zu Stammkunden, die er dann ein paar Jahre begleite. Seine Beratungen und Elterngespräche sind vertraulich. Erreichbar ist er in seinem Dorfener Büro Am Herzoggraben 10 unter der Telefonnummer 08081 / 95 60 964, unter der Mobilnummer 0151 / 59127908 oder per E-Mail an andreas.goetz@bruecke-erding.de

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Quelle:
SZ vom 20.09.2011
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