Ein Holzwurm hat es aus verschiedenen Gründen nicht leicht im Leben. Schon sein richtiger Name lässt ihn unsympathisch wirken: Gemeiner Nagekäfer. Dass er vorzugsweise wertvolle Holzmöbel und Dachbalken bewohnt und obendrein eine Menge Lärm verursacht, hilft seinem Image eher nicht. Biologisch gesehen zählt der Holzwurm zwar schon zu den Lebewesen, gilt aber landläufig als Schädling. Weil er ja nichts tut, außer Schäden anzurichten. Wer einen Holzwurm loswerden möchte, darf also, wie die Kirche Wifling vor einer Woche, zu rabiaten Methoden greifen, ohne Tierschützer auf den Plan zu rufen.
"Massiv" sei die Präsenz des Holzwurms gewesen, ließ Kirchenpfleger Stephan Schletter verlauten. Nicht einmal die Heilige Maria im Altarraum konnte den pietätlosen Käfer abhalten. Deshalb sperrte man den Friedhof, dichtete die Kirche ab und ließ Gas einströmen, um dem Wurm ein Ende zu bereiten. Allerdings nicht, ohne vorher die Kirche auf mögliche Fledermausnester abgesucht zu haben, wie der Kirchenpfleger nachdrücklich betonte. Fledermäuse stehen schließlich unter Naturschutz, Strafen können sich auf bis zu 50 000 Euro belaufen. Ein ähnliches Privileg genießen übrigens auch die sehr sympathisch klingenden Spatzen. Da gab es Ende Mai einen ähnlichen Fall in Altenerding: Eine Baufirma hätte beinahe Spatzennester von einem Dach entfernt, wenn nicht eine Anwohnerin und Tierschützerin vehement protestiert hätte. Ist der Spatz nun ein Schädling, weil sein Nest die Belüftung des Daches blockiert und damit Schaden anrichtet? Ein Immobilienunternehmer wird wohl mit "Ja" antworten. Dennoch handelt es sich beim Spatz um ein schützenswertes Tier, so sehen es nicht nur Tierschützer, sondern auch das Gesetz.
Der Holzwurm freilich kann von so einer Debatte nur träumen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich mit seinem Tod auch noch Geld verdienen lässt: Gegen eine Gebühr durfte man von Holzwürmern bewohnte Gegenstände in die abgedichtete Wiflinger Kirche stellen. Schon war das Problem aus der Welt. Alle haben profitiert - bis auf den Holzwurm.