Mitten in Erding:Freiwild auf dem Zebrastreifen

Die Straßenverkehrsordnung ist Gesetz und doch nur Theorie

Von Gerhard Wilhelm

Die Straßenverkehrsordnung schreibt über den sogenannten Zebrastreifen: "An Fußgängerüberwegen haben Fahrzeuge mit Ausnahme von Schienenfahrzeugen den zu Fuß Gehenden sowie Fahrenden von Krankenfahrstühlen oder Rollstühlen, welche den Überweg erkennbar benutzen wollen, das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Dann dürfen sie nur mit mäßiger Geschwindigkeit heranfahren; wenn nötig, müssen sie warten."

So viel zur Theorie, oder dem Soll-Verkehr, wie er zum Beispiel Fahrschülern beigebracht wird. Steht jemand am Zebrastreifen, muss angehalten werden. Der Ist-Verkehr - ein Tag nach Führerscheinprüfung oft schon verinnerlicht - sieht ganz anders aus und kann jeden Tag gesehen oder sogar selber erlebt werden. Da gibt es zum Beispiel die "Ich-sitze-im-Auto-und-habe-es-eilig"-Typen. Ist man als Fußgänger noch mindestens zehn Zentimeter weg, wird Gas gegeben, um noch schnell über den Fußgängerüberweg zu kommen. Wieder andere sind mit ihren Gedanken ganz wo anders und realisieren erst im letzten Moment, dass jemand am Zebrastreifen steht. Die Folge: Vollbremsung und - wenn man Glück hat - keine wüste Beschimpfung, wie man es wagen kann, einfach eine Straße zu überqueren, sondern eine entschuldigende Geste.

Die Missachtung der "Vorfahrt" des Fußgängers ist übrigens keine Mann-Frau-Sache. Auch keine Frage des persönlichen Status, anzusehen an der Protzigkeit des Autos. Oder der sozialen Einstellung, wie Dienstag am Zebrastreifen in der Nähe des Amtsgerichts zu sehen war. Eine ältere Frau, circa Mitte 70, steht am Rande des Zebrastreifens, stadtauswärts links. Aus der Innenstadt rauscht das erste Auto ran, ein Kleinwagen. Und ist, ohne auch nur aufs Bremspedal leicht zu tippen, über den Zebrastreifen gerauscht. Ein paar Meter dahinter kommt eine geschätzte 40 000 Euro-Klasse. Fährt ebenfalls ohne zu stoppen weiter. Dann kommt ein Fahrzeug mit der Aufschrift "Bayerisches Rotes Kreuz". Man denkt, wer dort arbeitet, hat ein Herz für ältere Damen. Pustekuchen. Es wird einfach über den Zebrastreifen gebrettert. Erst als garantiert kein Auto mehr kommt, wagt sich die Frau über die Straße.

Meine lieben Damen und Herren in euren Blechkisten: Wer an einem Fußgängerüberweg, den "ein Bevorrechtigter erkennbar benutzen wollte, das Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht oder nicht mit mäßiger Geschwindigkeit heranfährt oder an einem Fußgängerüberweg überholt", der fängt sich einen Punkt in Flensburg und 80 Euro Bußgeld ein. Wenn man jemanden sogar gefährdet, sind es schon 100 Euro.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: