Süddeutsche Zeitung

Mitten in Erding:Es geht schließlich um das Klima

Das Donaumoos wird wieder­vernässt, um klimaschädliches CO₂ zu binden. Was aber passiert im Erdinger Moos?

Kolumne von Johann Kirchberger

Das Donaumoos, das größte bayerische Niedermoor, soll wiedervernässt werden, um klimaschädliches CO₂ zu binden. Damit Bayern seine Ziele erreicht und bis 2040 klimaneutral wird. Sogar Ministerpräsident Söder hat angeblich abgespeichert, dass intakte, feuchte Moore mehr klimaschädliches CO₂ speichern als alle anderen Ökosysteme auf der Welt. Als ersten Schritt will er deshalb 200 Millionen Euro locker machen, um 2000 Hektar des insgesamt 12 000 Hektar großen Donaumooses wieder zu vernässen.

Und was ist mit dem Erdinger Moos? Das umfasst gut 2500 Hektar. Lange diente es als Weidefläche und war Jagdgebiet der Freisinger Fürstbischöfe. Im 19. und 20. Jahrhundert wurde es trockengelegt. Erst um landwirtschaftliche Flächen zu gewinnen, dann um prosperierende Orte wie Hallbergmoos entstehen zu lassen und schließlich, um einen Flughafen zu bauen. Eigentlich könnte man jetzt auch das Erdinger Moos wieder vernässen und damit viel CO₂ speichern. Söder, was ist los? Warum passiert da nichts?

Zugegeben, das wird nicht so einfach sein. Die Startbahnen unter Wasser zu setzen, das könnte Widerstände auslösen und ist vermutlich ebenso wenig ein Gewinnerthema wie die zweite S-Bahn-Stammstrecke. Aber versuchen könnte man es. Müsste man eben Löcher in den Asphalt bohren, damit das Wasser versickern kann. Und auf eine dritte Startbahn ließe sich doch auch ganz locker verzichten, für immer und ewig und ein für alle mal. Es geht schließlich um das Klima und da muss eben hingenommen werden, dass Flüge nach Mallorca künftig vielleicht nur noch von Memmingen aus gestartet werden.

Neulich hat uns auch noch die alarmierende Meldung erreicht, große baumfreie Flächen würden dazu beitragen, dass es in der Umgebung noch heißer und ungemütlicher wird. Behauptet das Freisinger Amt für Stadtplanung und Umwelt und hat in seinem Klimaanpassungskonzept, genannt Klaps, gefordert, etwas dagegen zu tun. Als erste Maßnahme steht im Raum, Bäume entlang der Erdinger Straße und auf dem Fußballplatz neben dem Schwimmbad zu pflanzen. Denn so ein trockenes Stück Rasen heizt sich angeblich ähnlich stark auf wie eine Betonpiste. So etwas weiß man, wenn man ein Klaps hat.

Die Wiedervernässung der Moore ist jetzt auch ein wichtiges Thema an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Nächsten Freitag wird in Freising das Peatland Science Centre eröffnet, ein Wissenszentrum für Moorforschung. Es soll die wissenschaftliche Basis für die Moosentwicklung verbessern und mit Blick auf Biodiversität, Wasserhaushalt und Produktivität regionale Lösungen anbieten. Am Tag der Eröffnung kommen viele schlaue Menschen nach Weihenstephan, halten Vorträge, stellen sich Fragen in einer Podiumsdiskussion und besichtigen dann die Moorforschungsstation. Nein, nicht im Erdinger Moos, im Freisinger Moos. Freising hat sein eigenes Moos, hatte sogar mal einen eigenen Flughafen. Der hieß Lange Haken und war für leise Segelflieger. Aber der wurde renaturiert. Jetzt gibt es Fluglärm, aber der kommt aus dem Erdinger Moos.

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Quelle:
SZ vom 11.03.2023
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