Mitten in Dorfen:Anfängerin auf dem Radl

Den Kindern das Radfahren beibringen, das ist immer so ein Papa-Ding

Von THOMAS DALLER

Können Sie sich noch erinnern, wie Sie das Fahrradfahren gelernt haben? Selbstverständlich, so etwas prägt sich ebenso ins Gedächtnis ein wie man damals die erste Mondlandung vor dem Fernseher miterlebt hat. Also für einen selbst als Kind war zumindest das eine so spektakulär wie das andere. Die Straße vor dem Haus war damals, vor knapp 50 Jahren, noch nicht einmal asphaltiert, in den vom Regen ausgewaschenen Schlaglöchern konnte sich ein Hund verstecken und wir sind schon tagelang mit unseren Stützrädern auf dieser Buckelpiste rumgeeiert, bis der große Tag kam: Papa hat die Hemdsärmel hochgekrempelt, die Stützräder runtergeschraubt und dann ging es los. Wir haben getreten, gleichzeitig versucht, den Lenker gerade zu halten, während Papa mit gebücktem Kreuz den Gepäckträger stabilisiert hat, damit es uns nicht schmeißt. Von der ganzen Bucklerei hat dem Papa hinterher das Kreuz wehgetan, aber wir konnten endlich Radlfahren wie die Großen.

Mittlerweile haben wir selber Kinder, die Straßen sind alle asphaltiert und sowohl Sohn als auch Tochter hatten viel schneller den Bogen raus, weil sie die Balance mit ihren Laufrädern bereits geübt hatten. Ohne Kreuzweh väterlicherseits ging es aber auch nicht ab. Das ist uns am Ostersamstag wieder eingefallen, da haben wir unseren Nachbarn gesehen, wie er seinem fünfjährigen Sohn am Garagenvorplatz das Radfahren beigebracht hat: "Geradeaus lenken, treten nicht vergessen. Und jetzt bremsen. Geht doch schon ganz gut." Und dann haben sich unsere Blicke und die des Nachbarn getroffen und wir haben gegrinst. Weil Kindern das Radfahren beibringen immer so ein Papa-Ding ist und es schwer zu sagen ist, wer anschließend stolzer ist: der frisch gebackene kleine Radfahrer oder der Vater.

Am Ostermontag haben wir dann den nächsten Radlanfängern zugesehen, diesmal aber in einer ganz anderen Konstellation. Fünf Muslima mit Kopftuch im Teenager-Alter, offenbar Flüchtlinge, von denen eine ein Radl hatte und bereits fahren konnte; die anderen aber noch nicht. Vermutlich aus einem Herkunftsland, in dem man Mädchen dieses harmlose Vergnügen nicht gönnt. Aber auch hier die gleiche Technik: Eine rennt hinterher und hält den Gepäckträger gerade und die Freundin tritt noch ein wenig unsicher in die Pedale. Schließlich lässt die eine los und die andere fährt ohne fremde Hilfe weiter. Dieses Strahlen auf ihrem Gesicht kann man nur als glückselig beschreiben. Da wurde einem auch als Zuschauer warm ums Herz. Integration hat viele Gesichter - und manche haben sogar Katzenaugen.

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