Mitten in der Region:Verdampft oder verseucht?

Lesezeit: 1 min

Die Kronkorken waren teilweise eingebeult, aus mehreren fehlte jeweils ein Schluck. Am gruseligsten aber war der Anblick des angetrockneten, weißen Schaumes am oberen Flaschenhals

Kolumne von Benjamin Emonts

Die Krise macht selbst vor so krisenerprobten Überlebensmitteln wie dem Bier nicht Halt. Schwer betroffen ist beispielsweise die mexikanische Brauerei Grupo Modelo. Sie braut ausgerechnet jenes Bier mit dem weltweit bekannten Namen Corona Extra. Als das gleichnamige Virus Anfang März bereits auf dem Vormarsch war, hatte die Brauerei noch stolz verkündet, den coolsten Rapper ever, Snoop Dogg, für eine Kampagne in den USA gewonnen zu haben. Doch seither ist die Stimmung ziemlich gekippt.

Die Brauerei stellt vorerst kein Corona mehr her, weil die Belegschaft zuhause bleiben soll. Ihr Vorzeigeprodukt bekommt im Internet Häme und Spott. Um die Welt gegangen ist etwa das Bild eines Kühlschranks. Auf der einen Seite steht eine einsame Flasche Corona, auf der anderen ein Dutzend Heineken, die zu ihrer Sicherheit eine Schutzmaske tragen. Das ist nicht nur fies, sondern auch eine gemeine Stigmatisierung eines Bieres, das am Ende ja nichts dafür kann. Auch die heimischen Brauhäuser, deren Bier nicht wie eine Pandemie heißt, sollten also gewarnt sein. Erst neulich, beim Kauf eines Kastens bayerischen Traditionsbiers, kam es im Landkreis zu ersten Irritationen, die womöglich auf die Krise zurückzuführen sind.

Das erste Helle aus dem Träger war außergewöhnlich schnell leer. Dann kam ein Mitmensch und wollte auch noch wissen, wieso man neuerdings halb leere Bierflaschen in den Kühlschrank legt - und nicht wenigstens stellt. Die Verwirrung war jedenfalls groß, bis es nach einer genaueren Untersuchung regelrecht unheimlich wurde. Die Kronkorken der Flaschen waren teilweise eingebeult, aus mehreren fehlte jeweils ein Schluck oder ein Viertelliter. Am gruseligsten aber war der Anblick des angetrockneten, weißen Schaumes, der sich am oberen Flaschenhals festgesetzt hatte. War er ein Zeichen der fortgeschrittenen Durchseuchung?

Andere Überlegungen, etwa ein Transportschaden oder ein Fehler beim Abfüllen, waren da deutlich weniger unangenehm. Oder vielleicht hat sich ja ein Durstiger einfach einen Mund voll Bier genommen und die Flaschen anständigerweise zugestöpselt und zurückgestellt - was der Befürchtung mit der Durchseuchung allerdings nicht widerspricht. Wahrscheinlich aber ist das Bier aus unerklärlichen Gründen zwischen Brauerei und dem Supermarkt im Landkreis einfach verdampft. Eine Anfrage bei der Brauerei blieb bislang unbeantwortet.

© SZ vom 04.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: