Süddeutsche Zeitung

Mitten in der Region:Stinkendes Dankeschön

"Du schaust aber erholt aus" - der Urlaubseffekt kann ganz schnell dahin sein

Kolumne von Carolin Fries

Die Wiedersehensfreude ist allgemein groß dieser Tage. Nach sechs Wochen Ferien haben sich nicht nur die Kinder viel zu erzählen - vor den Schulen, Supermarktkassen oder Bäckereitresen nimmt auch die Elternschaft wieder das auf, was von Außenstehenden gemeinerweise gerne als Tratschen bezeichnet wird, vielmehr aber wichtiges Networking ist. Man bringt sich gegenseitig auf den neuesten Stand (okay, ein bisschen Tratschen ist dabei), gleicht die Trainings- und Unterrichtszeiten in Sportverein und Musikschule ab und eruiert ganz nebenbei, wann sich das Zeitfenster für einen gemeinsamen Kaffee in der Nachmittagssonne auftun könnte (erst einmal gar nicht). Sehr wichtig natürlich auch: die obligatorische Frage, ob denn der Urlaub auch schön war. Meist wird diese mit der pauschal feststellenden Formel "Du schaust aber erholt aus", abgekürzt. Allzu viel möchte man dann lieber doch nicht wissen.

Hinzu kommt ein weiteres Ritual: das Austauschen von Mitbringseln. Kekse als Dank fürs Blumengießen, Olivenöl fürs Leeren des Briefkastens. Das beliebteste Urlaubssouvenir der Deutschen sind sogenannte landestypische Nahrungsmittel, also etwa Gewürzmischungen oder auch lokale Getränke. Es scheint sich herumgesprochen zu haben, dass Staubfänger wie Schneekugeln, Puppen oder bunte Kerzenständer kein Mensch braucht. Zu den Top Fünf der unbeliebtesten Mitbringsel gehören übrigens auch Folkloreartikel in Form von Kleidung, Teppichen oder Tischdecken. Wer indes eine Flasche Barolo mitbringt oder einen irischen Whiskey darf sicher sein, dass die Katze auch im nächsten Sommer wieder gefüttert wird.

Der Gedanke der Nachbarin, aus Island getrockneten Fisch mitzubringen, war deshalb im Ansatz ja auch richtig. Doch stünde auf der Verpackung nicht extra "Ready to eat", würde hierzulande wohl niemand die hellbraunen, Zwieback-ähnlichen Teilchen aus der Plastiktüte nehmen. Tut man es dann doch - die Neugier ist ein Biest - fühlt man sich mit einem Atemzug an einen Fischereihafen versetzt und macht die Tüte schnell wieder zu - während sich der Fischgeruch ausbreitet. So ähnlich muss es Umberto Eco ergangen sein, der in seiner Kurzgeschichte "Wie man mit einem Lachs verreist" herrlich ironisch beschreibt, wie er einen in Stockholm erworbenen Fisch nach London schafft und dort mehrere Tage ungekühlt mit sich führt. Der Lachs war schließlich ungenießbar, das Kraftfutter aus Island bleibt einfach in der Küche stehen, mehrfach in Tüten gepackt. Wohin jetzt damit, wo die Nachbarskatze frühestens wieder in den Weihnachtsferien zu versorgen ist? Hatten die Kollegen aus dem Großraumbüro sich nicht ein Mitbringsel aus dem Urlaub gewünscht? Die freuen sich bestimmt!

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Quelle:
SZ vom 16.09.2019
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