Mitten in der Region:Rätselhafte Schaufel

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Ein ungewohntes Objekt kann den ganzen Morgen durcheinanderbringen

Von Clara Lipkowski

Es war nur ein kurzer Moment von vielleicht vier, fünf Sekunden. Eben so lange, wie man braucht, um an einer liegenden Schaufel vorbeizulaufen. Dienstagmorgen auf dem Bahnsteig am Freisinger Bahnhof. Noch nicht ganz wach, taumelt man aus dem Zug aus München, der gerade in Freising Halt gemacht hat, die Pendler strömen in verschiedene Richtungen aus - die einen runter vom Bahnsteig zum Bus, die anderen zum Fahrradstand - und rempeln sich dabei an und treten einander fast auf die Füße. Denn man muss ja ausweichen, da liegt diese Schaufel auf dem Bahnsteig, auch Schippe genannt.

So schön liegt sie da - richtig herum, also so, dass man gut drauftreten kann und einem der Schaufelstock vor die Stirn donnert, so wie Goofy, Donald oder Pettersson, dem Findus einen Streich spielen will. Das metallene Schaufelende ist ganz matt, von Sand und Steinen abgenutzt, der hölzerne Griff könnte sich jetzt in die Hand eines Bauarbeiters schmiegen, rein theoretisch, ein solcher ist aber nirgends zu sehen.

Der Grund der Existenz der Schaufel an diesem Ort erschließt sich nicht gleich, Erde ist nirgendwo zu sehen auf dem versiegelten Bahnsteig, ein Haufen Sand schon gar nicht. Menschen jeden Alters drehen sich verwundert um. Eine Durchsage gibt es auch nicht. "Achtung, Achtung, Zug fährt durch" wird nicht ersetzt durch "Achtung, Achtung, Schaufel liegt . . .", Sie wissen schon.

Ist die Stadtverschönerung schon am Freisinger Bahnhof angekommen? Beginnt der lang diskutierte Stammstreckenausbau für die Landeshauptstadt vielleicht schon hier, im beschaulichen Freising? Sind das Vorboten für einen Moosburger S-Bahn-Anschluss?

Wie dem auch sei, die müden Pendler sind durchaus der Gefahr eines schwerwiegenden Unfalls ausgesetzt. Da muss doch einer was tun, die da wegnehmen, denkt sich der ewige Nörgler. Aber anstatt sich selbst die Mühe zu machen, erheitert er sich lieber an dem Spruch: "Zieh doch keine Schippe."

Gut, in Bayern ist der vielleicht weniger gebräuchlich. Weiter nordwestlich bezeichnet man damit auch, neben der wortwörtlichen Bedeutung, äußerst charmant einen so richtig schmollenden Nörgler.

© SZ vom 12.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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