Mitten in der Region:Mit dem Fahrrad auf Abwegen

Wer sich auf das Navi verlässt, kann auf abenteuerliche Strecken geraten

Kolumne von Veronika Ellecosta

Wann hat man eigentlich damit angefangen, dem Smartphone blindes Vertrauen zu schenken? Vermutlich hat das Unheil damals seinen Lauf genommen, als wetteronline.de und wetter.de mit ihren Wetterprognosen einmal öfter richtig lagen als die tieffliegenden Schwalben im eigenen Garten. Das mag gewiss auch an den mangelnden ornithologischen Kenntnissen liegen, vermeintliche Schwalben im Flug nicht von Spatzen unterscheiden zu können - oder von Zauneidechsen.

Jedenfalls haben besagte Vorfälle das naiven Glauben an Google und Co begünstigt. So hat man einmal mehr als nicht ganz so Ortskundige die Warnungen der absolut Ortskundigen in den Wind geschlagen, als man sich mit dem Fahrrad von Wolfratshausen zurück nach irgendwo-in-Icking aufmachen wollte und nicht wahrhaben wollte, dass jenseits der Serpentinenstraße keine Fahrradalternativen existieren.

Immerhin hatte Google Maps auf einen Radweg hinter dem Untermarkt hingewiesen. Als man dann einbiegt ins Ochsenbräugassl und die Pflastersteine das arme Rad schon ordentlich durchrütteln, folgt man dennoch stur der blauen Linie. Leicht nach rechts abbiegen, rät die Navigationsstimme in trockenem, aber überzeugendem Tonfall, und man beginnt den Aufstieg auf den Schlossberg.

Von den ersten Stufen lässt man sich nicht abschrecken, trägt das Rad noch ganz tapfer unterm Arm - hatten sich doch im Büro bislang nur wenige Möglichkeiten zur körperlichen Betätigung geboten, vom Speed-Tippen einmal abgesehen.

Die Ratschläge eines älteren Herren, dem man nach der ersten Etappe mit dem Rad begegnet und der zur Umkehr rät, belächelt man mit jugendlichem Hochmut. So strebt man weiter nach oben, hinter jeder Kurve wittert man das Ziel, das sich jedoch stets als noch mehr Stufen und waldige Steigungen entpuppt. Die Fahrradpedale kratzen an den Schenkeln und dennoch hat man begonnen, die Tour in den Feierabend als kleines Abenteuer zu akzeptieren. Bis man allerdings wieder auf Asphalt trifft, gilt es noch, eine Kuhweide zu überqueren, sich dabei den Blicken der Wiederkäuer auszusetzen und das minütlich schwerer werdende Rad mit den müden Armen über einen Stacheldrahtzaun zu heben. Abwärts geht es über genauso viele Stufen und am Ende wartet noch eine Holzbrücke.

Wäre es wenigstens eine Hängebrücke gewesen, hätte man beim nächsten sozialen Event mit einem abenteuerlichen Outdoor-Erlebnis prahlen können. Doch so bleibt nur Erschöpfung. Nach dem schweißtreibenden Aufstieg erreicht man Dorfen. "Der Straße zwei Kilometer folgen", sagt die Navi-Tante aus der Hosentasche unbeeindruckt. Nach acht Kilometern, 170 Höhenmetern und einer Stunde Schwitzen hat man sein Ziel erreicht.

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