Mitten in der Region:Lesen für die Katz

Ein erfolgreicher Tierversuch am Stubentiger lässt sich doch sicher auf andere Lebewesen übertragen

Kolumne von Renate Winkler-Schlang

Kinder lesen Katzen vor. Das gibt es wirklich, es ist ein Projekt des Katzendorfs im Tierheim Riem, bei dem beide Seiten profitieren sollen: Die Kinder können das Lesen üben, ohne sich zu blamieren, oder finden ein dankbares Publikum, wenn der kleine Bruder als potenzielles Zuhör-Opfer ausfällt, weil er lieber doch Benjamin-Blümchen-CDs und Kater-Mikesch-Geschichten hört, oder was immer den Kleinen von heute so gefällt. Und selbst die traumatisiertesten ehemals streunenden Katzen können dabei wunderbar entspannen, das wurde in amerikanischen Studien wissenschaftlich belegt.

So ein erfolgreicher Tierversuch am Stubentiger ließe sich aber doch sicher übertragen auf andere Lebewesen? Dass Zimmerpflanzen schneller wachsen, wenn man mit ihnen spricht, ist sattsam bekannt. Vorteil für den Vorleser: Der Gummibaum kratzt nicht, haart nicht und jagt auch nicht zwischendurch einem Wollknäuel nach. Unter dem Aspekt des Tier-Beruhigens ergeben sich ebenfalls völlig neue Möglichkeiten, hat man gerade ein vorlesendes Kind in petto: Man denke an renitente Zuchtbullen, Nachbars lästig kläffenden Zwergpinscher, unangenehm surrende, blutrünstige Moskitos in lauen Sommernächten. Sollte man sich schleunigst patentieren lassen, die Idee. Die lieben kleinen Vorleser dürften gerne auch mal länger aufbleiben, wenn's hilft. Man würde sogar dankbar ihr Taschengeld aufbessern.

Vielleicht sind ja auch Menschen empfänglich für live Vorgelesenes aus Kindermund? Da sind dringend weitere Studien und Selbstversuche nötig. Der Vater zürnt ob einer Sechs in Mathe? Nicht weinen, sondern lesen, einfach immer weiterlesen, irgendwann wird er ermüdet aufs Sofa sinken. Hoffentlich jedenfalls. Ein harter Brocken hingegen dürfte, so die abschließende These, der homo politicus sein. Es erscheint doch arg zweifelhaft, dass sich Politiker auf Oppositionsbänken wie schnurrende Kätzchen verhalten und die Krallen einfahren, bloß weil ein niedliches Kind Posten für Posten den neuen Haushaltsplan verliest. Aber einen Versuch wär's vielleicht wert. Miau.

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