Mitten in der Region:Kater und Katastrophen

Lesezeit: 1 min

Haustiere sind einfach wunderbar. Man ist nicht mehr so allein

Von Michael Morosow

Wir haben ihn "Tiger" getauft. Weil doch jeder zweite Kater so gerufen wird. Und warum hätten wir lange über die Namensgebung für ein Tier nachdenken sollen, das uns gar nicht gehört und nur ab und zu wie angegossen auf der Terrasse steht, um seine Pfote aufzuhalten für ein paar Cracker. Dachten wir. Zuerst begnügte sich Tiger mit einem kleinen Imbiss, dann verlangte er nach Vorspeise, Hauptgang und Dessert. Seit Kurzem fordert er auch nächtens Einlass, um sich nach opulentem Mahl auf der Couch zu rekeln.

Wenn Tiger als Mensch zur Welt gekommen wäre, würde er vermutlich in der Berliner Hausbesetzerszene aktiv sein. Öffnet man ihm nicht freiwillig, schlägt er von außen wuchtig gegen die Fensterscheibe. Wenn er sich im Morgengrauen wieder davon schleichen will, schlägt er von innen gegen die Fensterscheibe. Bekommt er kein Futter, weil er ohnehin bald aussehen wird wie Kater Garfield, ritzt er mit seinen Krallen Furchen in die Möbel und setzt dazu einen Blick auf, der sagen soll: "Ich habe Zeit." Sich streicheln zu lassen, so denkt Tiger wohl, sei was für Schnullikatzen, jedenfalls hinterlässt er tiefe Furchen auch an den Streichelhänden. Tiger ist ein kastrierter Terrorist.

Wer denkt, der Mensch würde sich Haustiere halten, irrt. Zumindest, was diesen Kater anbelangt. Tiger, der verruchte Bigamist, hält sich zwei Halter. Der andere muss nur zwei, drei Gärten weiter wohnen. Gerne würden wir bei ihm einmal von außen gegen die Fensterscheibe schlagen, um ihm die Wahrheit über seinen "Abenteurer" zu erzählen. Denn sicher mutmaßt man zwei, drei Gärten weiter voller Ehrfurcht, der Kater würde bei eisiger Kälte und in stockfinsterer Nacht jedes Mal in Revierkämpfen mit einem Nachbarkater sein Leben aufs Spiel setzen und anschließend die karge häusliche Nahrung durch mühsames Mäusejagen aufbessern. Nein, tut er nicht, auch wenn er zwischendurch mal "verhungerter Kater" spielt und herzzerreißend vor der leeren Futterschale sein Leid klagt.

Ja, und dann würden wir von Tigers Halter zudem noch gerne wissen, ob sein Kater auch bei ihm durchs offene Fenster springt, selbst wenn Fliegengitter davor gespannt ist. Und dann noch eine letzte Frage: Kann man ihm nicht mal die Krallen stutzen?

© SZ vom 02.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: