Mitten in der Region:Gönn' dir was

Bei einem Spaziergang können sich allerorten ungeahnte Weisheiten offenbaren

Kolumne von Johannes Korsche

In unsicheren Zeiten sucht sich ein jeder Halt und Ratschläge. Damit man sich deswegen nicht in den dunkleren Ecken des Internets verirrt, sei an dieser Stelle empfohlen, lieber mit offenen Augen einkaufen und spazieren zu gehen. Denn da offenbaren sich allerorten ungeahnte Weisheiten. Beim gefühlt 100. Spaziergang fällt einem auf einmal ein beleuchtetes Schild ins Auge, das dort, so hätte man geschworen, bis dato noch nicht in den Himmel geleuchtet hatte. "Die Backstube - Gönndirwas - Stehcafé", steht da. Die Aufforderung gar in Großbuchstaben und Signal-Orange. Aber was heißt derzeit schon "gönnen"?

Epikur, den alten Griechen mit seinem hedonistischen Lustgarten, kann man nicht mehr fragen, und ein wenig hat man das ja selbst in den vergangenen Wochen verlernt. Als "Gönnung" - wie es in den helldunklen Ecken des Internets heißt, wenn es um teure Anschaffungen oder Rauschgiftkonsum geht - gilt inzwischen ja schon ein Spaziergang. Vielleicht Schokolade?

Also, am nächsten Tag vors Schoko-Regal in der Drogerie. Im Angebot: Unmengen an veganen Schoko-Riegeln. Vegane Schoko-Riegel? Ja, offensichtlich muss man dieses "Sich-was-gönnen" tatsächlich erst ganz langsam wieder lernen. Doch der Ausflug hat sich gelohnt. Der Blick fällt auf den nächsten Lebensratschlag: "Lebe Pur", verkündet ein selbsternannter "Cacao Peanut Chunk"-Riegel selbstbewusst. Beeindruckt von der Weisheit und entwaffnenden Ehrlichkeit einer Verpackung, auf der zumindest phonetisch das englische Wort "junk" - zu Deutsch "Müll" - steht, landet der Riegel im Einkaufskorb.

Was aber, wenn sich da ein Kommafehler eingeschlichen hat und auf der Verpackung, die mit Doppeldeutigkeiten spielt, eigentlich "Lebe, Pur" steht. Hoffentlich geht es Hartmut Engler, Sänger der so benannten Band, gut. Der wiederum besang ja einst das "Abenteuerland", jenes Reich der kindlichen Fantasie, in das auch Erwachsene hin und wieder zurückkehren sollten. Das ist vielleicht nicht die beste Musik fürs Leben und die derzeitige Corona-Zeit, aber immer noch besser, als das, was man in den dunkleren Ecken des Internets gerade so findet.

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