Süddeutsche Zeitung

Mitten in der Region:Das Glück des Zugbegleiters

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Selten trifft man Menschen, die so richtig im Reinen sind mit ihrem Beruf

Von Gregor Schiegl

München Hauptbahnhof, 23.29 Uhr unter der Woche. Der Regionalzug rollt los. Ein Mann in Uniform betritt den Waggon, er hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Lukas, dem Lokomotivführer aus der Augsburger Puppenkiste, aber es ist nicht der Lokführer, es ist der Fahrkartenkontrolleur. Die Fahrgäste greifen in die Taschen, der Mann der Deutschen Bahn hebt abwehrend die Hände. "Nur keine Hektik, ich muss ja erst mal alle begrüßen." Dann entschwindet er durch den Gang und mit dem warmen Timbre eines Radio-Nachtmoderators meldet er sich über die Lautsprecher zurück und wünscht allen Passagieren eine gute Reise in diese schöne Nacht und in den verdienten Feierabend.

Erst danach widmet er sich der Fahrkartenkontrolle, und er tut es voller Hingabe. Dabei achtet er auch auf Details wie das Hologramm, das die Echtheit der Fahrkarte beweist. "Ah ja, sehr schön", flötet er. "Wie das glänzt, in allen Regenbogenfarben!" Ein anderer Fahrgast ist mit dem Bayern-Ticket unterwegs. "Das finde ich sehr gut, dass Sie nach Bayern fahren", lobt er. Ein Dritter sitzt einsam am Fenster und zeigt sein MVV-Single-Tagesticket vor. "Sind Sie denn Single?", erkundigt sich der Kontrolleur mitfühlend. Der Mann bejaht. Ach, sagt der freundliche Mann von der Bahn. Die Richtige werde er sicherlich noch kennenlernen, ganz bestimmt.

Dann verlässt er das Abteil auf leisen Sohlen, ein Mensch, offenbar so im Reinen mit sich und seinem Job und seinen Fahrgästen, dass man ihn sich als glücklichsten Menschen vorstellt. An der nächsten Haltestelle kommt er noch zu den Türen und wünscht seinen Fahrgästen eine gute Nacht. Auf dem Bahnsteig dreht sich einer von ihnen noch mal um: "Ich werde schon mal ein bisschen für Sie vorschlafen." Da geht ein Strahlen über das runde Gesicht des Kontrolleurs. "Das ist sehr nett von Ihnen." Dann rollt der Zug weiter, und man spürt, wie dunkel und kalt es inzwischen draußen geworden ist.

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Quelle:
SZ vom 04.11.2016
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