Mitten in Dänemark:Anhängliche Heimat

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Die Welt ist bekanntlich sehr klein, und mindestens halb Bayern befindet sich derzeit im Sommerurlaub

Kolumne von Anja Blum

Eine Erkenntnis, mit der wohl so mancher in diesen spätsommerlichen Tagen wieder einmal heimkehrt, ist jene, dass man die Erwartungen an einen Urlaub nicht zu hoch hängen sollte. Denn auf Reisen kann man noch so sehr das Andere suchen, landschaftlich, kulinarisch und kulturell experimentierfreudig sein - die eigenen Befindlichkeiten befinden sich doch immer im Gepäck. Der Grantler wird in den Ferien kaum zum Spaßvogel mutieren, die Schlaftablette vermutlich nicht zum Duracell-Häschen und der Pedant nicht zum Experten für Lässigkeit.

Außerdem ist die Welt bekanntlich sehr klein, und mindestens halb Bayern befindet sich derzeit im Sommerurlaub. Deswegen kann es freilich passieren, dass die Heimat dem Reisenden auch in anderer Hinsicht auf dem Fuße folgt. Mehr als tausend Kilometer liegen zum Beispiel zwischen hier und dem Örtchen Søndervig an der dänischen Westküste. Viele hübsche Ferienhäuschen schmiegen sich dort in die mit Roggen begrünten Sanddünen, das Licht, die Wolken und der Wind zaubern immer wieder neue spektakuläre Malereien in den Himmel.

Doch reicht das schon aus, um ein für Menschen aus Bayern beliebtes Ziel zu sein? Offenbar schon, wie gleich der erste Gang an den Strand beweist: Bereits vor dem nächsten Reddachhaus stehen zwei Autos - deren Kennzeichen tatsächlich mit EBE beginnen.

Nachdem man sich einmal kräftig die Augen gerieben hat, wallen sogleich sehr gemischte Gefühle auf. Irgendwas zwischen "Wie schön, Gleichgesinnte!" und "Oh nein, wir wollten doch keinen Urlaub mit Nachbarn machen!". Später stellt sich aus der Ferne zumindest diese Befürchtung als unbegründet heraus: Man kennt sich nicht einmal vom Sehen. Der Landkreis ist offenbar - im Vergleich zur ganzen Welt - doch sehr groß. Also soll es auch dabei bleiben.

Statt einer nachbarlichen Aufwartung, die ja durchaus mit einigen zwischenmenschlichen Risiken verbunden wäre, genießt man lieber weiter den Schutz der Anonymität. Wie gut, dass vor der eigenen Tür ein Auto mit einheimischem Kennzeichen steht. M, ED und alle anderen sieht man in Dänemark nämlich genug.

© SZ vom 03.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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