Mitten im Landkreis:Was der Winter aus Menschen macht

Wenn der Landkreis von einer grauen Wolkendecke eingehüllt ist, kann man von den Sitten der Finnen lernen

Kolumne von Alexander Kappen

Besserung ist in Sicht, die Wintersonnenwende haben wir bereits hinter uns, die Tage werden langsam wieder länger. Theoretisch. Praktisch ist es derzeit eher so, dass der Landkreis in eine dicke, graue Dauerwolkendecke gehüllt ist. Und die macht es einem ziemlich schwer zu erkennen, wann der Tag anfängt und wann er aufhört - oder ob er überhaupt jemals anfängt.

Man könnte jetzt anführen, das sei vergleichsweise Jammern auf hohem Niveau. In Finnland, da hat der Tag im Winter - selbst ohne graue Wolkensuppe - prinzipiell nur ein paar mickrige Stunden. Helsinki, zum Beispiel: Sonnenaufgang um 9.15 Uhr, Sonnenuntergang um 15.38 Uhr. Das reicht grade, um zum nächsten Supermarkt zu fahren, sich mit ausreichend Bier einzudecken und am Rückweg kurz beim Weinhändler seines Vertrauens anzuhalten, um ein paar Flaschen vom Roten einzupacken. Und dann macht man das, was man halt macht, wenn's ständig zappenduster ist und selbst überzeugte Nachtschwärmer schon keine Lust mehr zum Schwärmen haben. Man setzt keinen Fuß mehr vor die Tür, meidet lästige Gesellschaft und lässt es sich trotzdem gut gehen. Also runter mit den Klamotten und dann: alleine zu Hause in Unterwäsche betrinken. Weil das ein bisschen umständlich klingt, haben die Finnen für diesen beliebten Zeitvertreib an grauen Wintertagen ein eigenes Wort kreiert: Kalsarikännit. Sogar eigene Emojis gibt es dafür - was in einem kreativen Land, in dem regelmäßig Weltmeisterschaften im Handyweitwurf und Luftgitarrespielen ausgetragen werden, aber eigentlich kaum verwundert.

Wer es mit Kalsarikännit nicht so hat und es trotzdem mit einer Trinkgewohnheit aus dem hohen Norden probieren möchte, kann sich übrigens an Samu Haber halten. Der Sänger der finnischen Band Sunrise Avenue, einst Jury-Mitglied der Casting-Show "Voice of Germany" und ein erfinderischer Freund von Wortneudeutungen, verriet in einer Sendung mal, er sei ein "Schlafi Schlumpf", vertraue auf die Wirkung von Kaffee und brauche in der Früh gelegentlich auch zweimal eine "Morgenlatte".

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