Überraschende Entwicklung:Jugendkriminalität geht zurück

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Eine 63-jährige Autofahrererin fühlt sich auf der A 95 bei hohem Tempo bedrängt von drei Motorradfahrern - ein Fall für die Polizei. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Die Fallzahlen sind nach Angaben von Jugendgerichtshilfe und Polizei seit 2009 deutlich gesunken. Die Jugendsozialarbeit an Schulen und die gewaltfreie Erziehung in den Familien machen sich bemerkbar

Von Thomas Daller, Landkreis

Die Jugendkriminalität geht im Landkreis Erding deutlich zurück. So sind die Fallzahlen der Jugendgerichtshilfe von 1034 im Jahr 2009 auf 699 im Jahr 2016 gesunken. Auch bei der Polizeiinspektion Erding verzeichnet man eine rückläufige Tendenz: Der Straftäteranteil von Jugendlichen ist nach Angaben von Inspektionsleiter Anton Altmann bei allen aufgeklärten Fällen im Zeitraum von 2009 bis 2016 von 24 Prozent auf 17 Prozent gesunken. Rückläufig sind insbesondere die Straftaten in den Bereichen vorsätzliche und gefährliche Körperverletzung, Einbruchsdiebstähle und die Delikte im Bereich harter Drogen.

Den Zahlen zufolge wächst offenbar eine Generation heran, die sich gesetzestreuer verhält als frühere Generationen. Mitbedingt wird der Trend auch durch geburtenschwächere Jahrgänge, wobei der Zuzug von Familien in den Landkreis Erding diese Schwäche zum Teil wieder kompensiert.

Die Jugendgerichtshilfe bezeichnet die Jugendsozialarbeit an den Schulen als wichtigen Punkt beim Rückgang der Jugendkriminalität, das sei jedoch nicht der einzige Faktor: "Die Sozialarbeit an Schulen hat dazu beigetragen, dass viele Probleme früher angegangen werden können, die früher letztendlich in Strafverfahren geendet haben", heißt es in einem Vorlagebericht zum Jugendhilfeausschuss des Landkreises. Sie reagiere auf Vorkommnisse an der Schule zeitnah, so dass eine Verhaltensänderung unmittelbar nach dem Geschehen möglich sei. Die Jugendsozialarbeit an den Schulen wirke sich auch auf das Verhalten der Schüler in deren Freizeit aus, konstatiert die Jugendgerichtshilfe.

Die Jugendsozialarbeit an den Schulen sei jedoch nicht die Hauptursache für den Rückgang von Straftaten von Jugendlichen. Hinzu kämen weitere schulische Angebote wie Streitschlichterausbildung, Projekte wie "sozialwirksame Schule" oder themenbezogene Aktionen zum Beispiel zum Thema "Respekt".

Nicht zuletzt habe sich in den Familien, wenn auch sicherlich nicht überall, mehr und mehr die gewaltfreie Erziehung durchgesetzt. Das Verbot der körperlichen Züchtigung der Kinder per Gesetz sei inzwischen in den meisten Familien bekannt. Dies habe zur Folge, dass Gewalt als Konfliktlösung von Eltern an die Kinder nicht mehr so häufig weitergegeben werde.

Auffallend im Kontext mit Gewalt ist der Rückgang der Fallzahlen im Bereich fahrlässige Körperverletzung. Die Zahl lag 2012 noch bei 35 oder 2013 gar bei 42 Fällen im Jahr. 2016 wurden hingegen nur noch 15 Fälle zur Anzeige gebracht. Die Jugendgerichtshilfe weist jedoch darauf hin, dass dies nichts über die Qualität der jeweiligen Straftat aussage. In Einzelfällen können diese Taten dennoch mit einer erheblichen Brutalität ausgeführt werden.

Im Bereich Drogen muss man offenbar unterscheiden: Die Fallzahlen im Bereich Cannabis sind in den vergangenen Jahren gleich geblieben. Allerdings spielt bei den Jugendlichen oftmals ein fehlendes Unrechtsbewusstsein eine Rolle. Denn die Entkriminalisierungsdebatte, die zuletzt auch bei Sondierungsgesprächen für eine Jamaika-Koalition angeschnitten wurde, läuft auch an den Jugendlichen nicht vorbei.

Verpönt ist hingegen der Konsum harter Drogen, auf diesen Rückgang weist auch die Jugendgerichtshilfe hin. Das wiederum hat einen Rückgang bei der Beschaffungskriminalität zur Folge, da die Abhängigkeit von Heroin oder Kokain eine teure Sucht ist.

Michael Lefkaditis, Jugendrichter am Amtsgericht Erding, kann ebenfalls bestätigen, dass die Zahlen rückläufig sind, und sich die Fälle auf einen "kleinen harten Kern fokussieren". Er vermutet ebenfalls mehrere Komponenten hinter dieser Entwicklung, "nicht zuletzt die guten Zusammenarbeit mit der Jugendgerichtshilfe": "Wir reagieren zeitlich sehr schnell und können mit Maßnahmen wie Betreuungsweisungen die Jugendlichen rasch auffangen."

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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