Ministerin Kaniber beim Kreisbauerntag:Wir müssen reden

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Nach Tankham in der Gemeinde Bockhorn kamen am heißen Donnerstagabend nicht nur die Ministerin Michaela Kaniber und Landrat Martin Bayerstorfer, sondern sehr viele interessierte Bürger und Bauern. (Foto: Renate Schmidt)

Nach dem Artenschutz-Volksbegehren fühlen sich die Landwirte zu Unrecht an den Pranger gestellt. Sie werfen auch der Politik Versäumnisse vor, das bekommt Ministerin Michaela Kaniber in Tankham zu spüren

Von Philipp Schmitt, Bockhorn

Beim Kreisbauerntag des BBV hat am Donnerstag in einer aus allen Nähten platzenden landwirtschaftlichen Halle samt Festzelt Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) den Bauern Mut gemacht: "Aufgeben ist keine Option, wir lassen uns nicht entmutigen." Sie und auch Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) nahmen die Bauern auch in Schutz. Kaniber sprach von einer "Hetze, die aufhören muss". Bayerstorfer betonte, der Berufsstand dürfe nicht "durch unverschämte Unterstellungen verunglimpft" werden. "Die Bauern quälen keine Tiere und vergiften die Böden nicht, dafür lege ich im Landkreis die Hand ins Feuer."

Dem Erdinger Bauern-Kreisobmann Jakob Maier zollte Kaniber nach einer Rede Respekt für sein Engagement. Maier hatte Kritik an der Politik geübt wegen der Konsequenzen aus dem Volksbegehren "Rettet die Bienen". Er kritisierte aber auch den enormen Flächenverbrauch zu Lasten der Landwirtschaft und stellte konkret den auch die Gemeinde Bockhorn betreffenden Bau der Nordumfahrung Erding in Frage. Betroffene Landwirte und Grundeigentümer sollten es auf eine Enteignung ankommen lassen, um ein politisches Zeichen zu setzen, riet er. Auch an der kürzlich von Scharf ins Spiel gebrachten Idee eines Landschaftspflegeverbandes im Landkreis ließ Maier kein gutes Haar: "Ich glaube nicht, dass wir das brauchen." Er befürchte zusätzliche Bürokratie und Kosten, Landwirte und Maschinenringe "können das selbst besser". Der Kreisobmann appellierte an Parteien und Umweltverbände, "bei der Wortwahl abzurüsten" und keine "Untergangsszenarien" an die Wand zu malen". Das Insektensterben sei nicht so schlimm, wie oft zu hören sei.

Bauern übernähmen Verantwortung mit den neuen Blühstreifen, sie müssten für Biodiversität honoriert werden und sollten nicht mit falschen Vorwürfen konfrontiert werden. "Wir müssen vor allem im Dialog mit den Bürgern bleiben", sagte Maier, dazu wolle der BBV neue Gesprächsrunden anbieten. Auch Kaniber forderte, den Dialog mit der Bevölkerung zu verbessern, um der Arbeit der Landwirte wieder zu mehr Ansehen zu verhelfen. Verbraucher müssten überzeugt werden, damit sie die meist etwas teureren regionalen Lebensmittel kaufen. Es dürfe aber auch "nichts schöngeredet" werden, die Lage sei nicht gut, Defizite seien aufzuarbeiten. Den Grünen warf sie vor, dass deren Klimaschutzziele unbezahlbar und irrational seien. Die CSU müsse aber Themen wie Klimaschutz und Biodiversität mehr Aufmerksamkeit schenken, dies habe das Volksbegehren gezeigt.

Die Staatsregierung habe das Volksbegehren ohne Alternativentwurf und ohne Volksentscheid angenommen, weil es sonst vielleicht für die Landwirte schlimmer gekommen wäre. Das begleitende "Versöhnungsgesetz" dürfe nicht als "Verhöhnungsgesetz" schlecht gemacht werden, es biete den Bauern durch 175 Millionen Euro Förderung neue Chancen. Die Staatsministerin räumte ein, dass "die Politik für verlässlichere Rahmenbedingungen sorgen" müsse. Die CSU müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, bei brisanten Themen die Konfrontation gemieden zu haben: "Wir müssen den Menschen künftig erklären, wie moderne Landwirtschaft funktioniert." Dies dürfe nicht anderen politischen Gruppierungen überlassen werden. Landwirte dürften "nicht pauschal zum Sündenbock abgestempelt" werden: "Bauern können nicht für Klimawandel und Artensterben verantwortlich gemacht werden." Laut Kaniber sind etwa zwei Prozent der bayerischen Bevölkerung noch in der Landwirtschaft tätig. Die Landwirtschaft sei nach der Automobilindustrie der wichtigste Wirtschaftszweig, sie sichere jeden siebten Arbeitsplatz in Bayern und generiere mit Ernährungs- und Holzwirtschaft mehr als 158 Milliarden Euro Umsatz im Jahr im Freistaat. Die Staatsregierung fördere die Landwirtschaft und die durch Borkenkäferplage geschundene Holzwirtschaft. Durch die "Waldumbauoffensive" sollen bis 2030 insgesamt 200 000 Hektar Wald zu stabilen Mischwäldern umgebaut werden, dafür stünden 200 Millionen Euro zur Verfügung.

Laut Bayerstorfer, selbst Landwirt, ist der Landkreis mit mehr als 2000 Betrieben und einer jährlichen Wertschöpfung von mehr als siebzig Millionen Euro immer noch stark von der Landwirtschaft geprägt. Bayerstorfer appellierte an die Landwirte zusammenzuhalten. Auch der Bockhorner Bürgermeister und Landratskandidat Hans Schreiner, ebenfalls Landwirt, forderte mehr Vertrauen in regional erzeugte Lebensmittel. Er wünsche sich bei berechtigtem kritischen Hinterfragen mehr Wertschätzung für Landwirte und deren regional erzeugte Nahrungsmittel. Kaniber fügte an, dass dafür vor Ort und in den sozialen Medien eine bessere Öffentlichkeitsarbeit nötig sei, um das negative Image der Landwirtschaft zu beseitigen. Eine neue Kommunikationsstrategie solle digitaler und frecher sein, Social-Media-Aktivitäten sollen ausgebaut werden: Moderne Landwirtschaft könne in Zukunft nur gelingen, "wenn sie auch digital gelingt". Dafür solle ein Kommunikationsfonds eingerichtet werden.

© SZ vom 29.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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