Mindestlohn in Erding:Am Boden

Messe "Inter Airport Europa" am Flughafen München, 2005

Arbeiter am Rollfeld des Münchner Flughafens

(Foto: Catherina Hess)

Jeder Fünfte, der im Landkreis Erding erwerbstätig ist, verdient weniger als 8,50 Euro pro Stunde - das wäre der von Gewerkschaften geforderte Mindestlohn. Kritiker machen dafür den Münchner Flughafen verantwortlich

Von Ines Alwardt

Jeder fünfte Beschäftigte im Landkreis Erding verdient weniger als den von Gewerkschaften geforderten Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Pestel-Instituts in Hannover, welche die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten in Auftrag gegeben hat. Danach liegt der Anteil der Niedriglöhner mit zwanzig Prozent im Landkreis nur knapp unter dem Bundesdurchschnitt von 21 Prozent.

Insgesamt arbeiten in der Region 12 864 Geringverdiener, sie sind entweder fest angestellt oder als Minijobber beschäftigt. Vor allem in Branchen, die verstärkt Teilzeitarbeitskräfte einsetzten, dazu zählen unter anderem die Gastronomie, das Sicherheits- und Reinigungsgewerbe aber auch der Garten- und Landschaftsbau.

Nur fast fünf Euro in der Stunde

8700 Minijobber machen nach den Berechnungen des Pestel-Instituts den Hauptanteil der Niedriglöhner im Landkreis aus. Im Durchschnitt verdienen sie 5,55 Euro pro Stunde. Bei den Angestellten bekommen etwa 4200 Arbeitnehmer ein Gehalt, das unter dem Stundensatz von 8,50 Euro brutto liegt. Eine Arbeitsstunde in dieser Gruppe wird im Durchschnitt mit 4,69 Euro bezahlt.

"Wie man von diesen Beträgen im Landkreis Erding leben soll, ist mir ein Rätsel", sagt Daniel Fritsch, der für Erding zuständige Regionssekretär des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). "Die ganze Region wird immer als Vorbild dargestellt, aber in den letzten Jahren ist der Niedriglohnsektor massiv ausgeweitet worden." Zwar lagen die Arbeitslosenzahlen im Juni bei einer Quote von 1,9 Prozent - und damit deutlich unter dem Bundesschnitt von 6,6 Prozent - , aber genau diese Zahlen zeigten, dass eine "Verschiebung" in den Niedriglohnsektor stattgefunden habe.

Bekämen alle Niedriglöhner den geforderten Mindestlohn, würde sich die Kaufkraft im Landkreis pro Jahr um 30,4 Millionen Euro erhöhen. Die Betroffenen würden 2366 Euro mehr verdienen.

"Einfallstore für Niedriglöhne"

Ewald Schurer, SPD-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Erding-Ebersberg, überraschen die Zahlen nicht. Er sieht dadurch seine Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn mit regionalen Varianten bestätigt. "Es ist ja schön, dass wir hier Vollbeschäftigung haben, aber das ist nur die halbe Wahrheit", sagt er. Tatsächlich gebe es viele, die nicht mehr wüssten, wie sie die Miete zahlen sollten.

Einen großen Anteil am Niedriglohnsektor im Landkreis hat seiner Meinung nach der Flughafen München. "Flughäfen sind die Einfallstore für Niedriglöhne. Wenn eine große Branche die zahlt, ist das verhängnisvoll." Die Luftfahrtgesellschaften gäben ihren Kostendruck an die Arbeitnehmer in den Dienstleistungsunternehmen weiter, "und das müssen die dann leider aushalten". Ökonomisch halte er dies für "den schwersten Fehler". Für Schurer steht fest: "Es ist ein Verstoß gegen die Marktwirtschaft, den Menschen keinen Mindestlohn zu zahlen."

Der CSU-Landtagsabgeordnete Jakob Schwimmer sagt, ein Stundenlohn von 4,69 Euro sei "indiskutabel, ja sogar unwürdig". Es sei an der Zeit, von allen Tarifsparten eine Mindestlohnvereinbarung zu erwarten. Und es müsse eine Frist gesetzt werden, bis zu der in allen Branchen ein Mindestlohn eingeführt sein muss. Sollte das bis zu der Frist nicht geschafft sein, sei der Gesetzgeber gefordert, "den Mindestlohn für die jeweilige Branche ab dem Betrag von 8,50 Euro festzusetzen". Die CSU-Landtagskandidatin Ulrike Scharf hat sich vergangene Woche bei einer Podiumsdiskussion des Deutschen Gewerkschaftsbundes gegen einen gesetzlich verankerten Mindestlohn ausgesprochen.

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