Michelin-Stern verteidigt:Keine Kompromisse

Lesezeit: 4 min

Florian Vogel, Küchenchef des Restaurant "Camers" in Schloss Hohenkammer, hält von Effekthascherei auf dem Teller nicht viel, dafür mehr von bester Qualität bei den Produkten

Interview Petra Schnirch, Hohenkammer

Seit zweieinhalb Jahren ist Florian Vogel, 36, Küchenchef des "Camers" in Schloss Hohenkammer. Schon eineinhalb Jahre nach der Wiedereröffnung des Restaurants bekam er einen der begehrten Michelin-Sterne. Seit kurzem steht fest: Das Camers hat ihn erfolgreich verteidigt. Die SZ sprach mit Vogel über sein Erfolgsrezept.

SZ: Wie geht es Ihnen jetzt, nach Veröffentlichung der Michelin-Wertung?

Florian Vogel: Was überwiegt, ist purer Stolz und natürlich Freude, dass wir das geschafft und den Stern gehalten haben.

Was ist schwieriger: sich den ersten Stern zu erkochen oder ihn zu behalten?

Ich denke, es ist schwieriger, ihn zu bekommen - aber das empfindet jeder anders. Man muss das Niveau erst mal erreichen. Danach lässt man ja nicht nach und versucht, noch eine Schippe drauf zu legen.

Wo haben Sie denn zugelegt?

Wir haben unser Team verstärkt, wir sind jetzt in der Küche einer mehr und im Service. Das Niveau zu halten, ist nur mit Manpower zu bewältigen. Man sagt ja, viele Köche verderben den Brei, aber manchmal ist es doch hilfreich.

Wissen Sie, wann ein Tester kommt?

Gott sei Dank nicht. Ich möchte es auch gar nicht wissen, das würde nur Unruhe reinbringen: Man möchte es auf Teufel komm raus noch besser machen - und meistens passieren dann Fehler. Außerdem sollte jeder Gast gleich sein. Ich glaube auch, dass es die Tester überhaupt nicht mögen, wenn sie besonders hofiert werden. Und selbst wenn ich einen Tester erkennen würde, könnte ich auf die Schnelle gar nicht reagieren. Ich kann ja das Menü nicht umstellen - es muss immer passen.

Was macht ein besonderes Menü aus?

Die Gäste müssen sich darauf verlassen können, dass wir auf konstant hohem Niveau kochen und die Speisen mit viel Raffinesse zubereiten - das A und O ist, dass sie wirklich voll vom Geschmack geprägt sind. Wenn sie dann noch hübsch dekoriert sind und eine Story dahinter steht, dann schicken wir den Gast auf eine schöne kulinarische Reise.

Eine Story dahinter, was heißt das?

Wir lassen uns von den Jahreszeiten inspirieren, ich versuche aber auch, mein Umfeld einzubeziehen. Meine Oma hat immer eine Ostfriesentorte gebacken, die gab es früher zum Geburtstag - die haben wir hier im Camers in Miniatur aufgesplittet und mit dem ausgedruckten Original-Rezept in einer Petrischale angerichtet. Jetzt im Dezember wird es mit einem Grünkohlgericht - ich bin ja ein "Fischkopf" - eine Hommage an die Heimat geben.

Was unterscheidet eine Sterne-Küche von einem anderen sehr guten Lokal?

Die Grundprodukte müssen konsequent von hervorragender Qualität sein, da darf man keine Kompromisse eingehen. Wenn man es noch schafft, etwas Besonderes aus dem Lebensmittel herauszuholen, sodass der Geschmack wirklich ausdrucksstark, dass die Harmonie der einzelnen Komponenten stimmig ist, dass man ein schönes Spiel hat zwischen Süße, Salz und Säure - dann ist man auf einem guten Weg.

Wie und wo entwickeln Sie Ihre Ideen?

Die Ideen kommen, wenn man ein bisschen kreativ herumspinnt, aus dem Umfeld, aus der Familie, sie entstehen auf Reisen. Wichtig ist: Es muss Sinn ergeben, reine Effekthascherei ist nicht nachhaltig. Die Kressen bei uns auf dem Teller, geben dem Gericht einen gewissen Geschmack und sehen nicht nur schön aus.

Wie kommen Sie mit dem Stress klar? Wie lange kann man das durchhalten?

Ich empfinde es momentan als positiven Stress. Es ist ein selbstgeschaffenes Leid ( lacht). Der Michelin-Stern, die anderen Führer und vor allem die Gäste bestätigen einen. Das ist das täglich Brot, das wir brauchen. Wie lange kann man das machen? Schauen wir mal. Seit zweieinhalb Jahren gibt es das Restaurant, so wie es jetzt ist - da ist noch viel Luft nach oben.

Was muss man als Sterne-Koch mitbringen?

Viel Freude bei der Arbeit. Sicherlich ist es ein sehr, sehr anstrengender Job. Das klassische Nine-to-five wird es bei uns nie geben, obwohl wir hier gerade im Camers für die Spitzengastronomie doch sehr humane Arbeitszeiten haben. Wir haben mittags nicht geöffnet und fixe Ruhetage. Ich kann mir eigentlich nichts anderes vorstellen.

Orientieren Sie sich an aktuellen Trends?

Wenn man einer Mode oder einem Trend - ich nenne es jetzt mal böse - hinterher läuft, dann ist er meistens schon wieder vorbei. Geschickter wäre es, Trends selber zu entwickeln. Aber nur Gelchen, nur Perlchen, nur Schäumchen - das bin ich nicht und das passt auch nicht zu unseren Räumlichkeiten. Manchmal ergibt es Sinn, eine Soße aufzuschäumen, manchmal braucht man eine klare, konzentrierte Kraft.

Ist die ländliche Lage ein Nachteil?

Mittlerweile würde ich behaupten, nein. Die Fluktuation der Gäste ist in der Stadt viel höher, im Gegenzug hat man dort mehr Konkurrenz. Da wir im Raum Freising, Dachau, Erding ein Alleinstellungsmerkmal haben, empfinde ich das nicht als Nachteil. Hinzu kommt die Nähe zu Ingolstadt und München, wir sind direkt an der A 9. Mittlerweile sind wir bekannter geworden und haben sogar Gäste aus Augsburg oder Regensburg. Es fängt an, Früchte zu tragen.

Sie sind erst 36 und haben sich schon einen Stern erkocht, was hat man da noch für Ziele?

Ein bisschen Luft nach oben gibt es immer. Stillstand ist ein Stück weit Rückschritt. Wir haben uns personell verstärkt, die neuen Mitarbeiter bringen ihr Know-how ein. Oberste Prämisse ist, den Stern zu halten.

Träumen Sie von einem zweiten Stern?

Träumen darf man immer. Wenn man das aufgibt, hat man aufgehört zu leben. Aber zwei Sterne - das ist nochmal eine andere Liga. Für so einen Sprung muss man gefühlt mindestens den doppelten Aufwand betreiben. Es wird mehr Service am Gast verlangt, dass eventuell vorgelegt wird, dass die Soßen angegossen werden. Es wird teilweise vorausgesetzt, dass man eine größere Weinkarte im Repertoire hat. Viele zufriedene Gäste sind, wenn ich ehrlich bin, das Wichtigste. Die Sterne und die Punkte, die Hauben, die Pfannen gehören schon dazu. Aber was bringen einem die Auszeichnungen, wenn die Gäste ausbleiben? In dem Ort, in dem ich geboren bin, musste ein Sterne-Restaurant schließen, weil es nicht angenommen wurde.

Können Sie selbst noch unbedarft essen gehen?

Unbedingt, das ist auch wichtig. Ganz das Gehirn ausschalten, das geht zwar nicht. Aber ich genieße es, wenn man sich mit Freunden oder der Familie trifft und einmal nur Gast ist, das steht dann im Vordergrund.

Kochen Sie auch zu Hause?

Wenig. Man versucht dann schon abzuschalten. Ich genieße es, wenn meine Frau kocht und das macht sie auch sehr gut.

Nörgeln Sie dann nicht rum?

Um Gottes willen.

Käme für Sie eine Partnerin infrage, die gar nicht kochen kann?

Gar nicht kochen fände ich nicht schlimm - anders als nicht genießen können. Die Affinität für gutes Essen, guten Wein, das ist mir schon wichtig.

Was essen Sie selbst privat am liebsten?

Es muss gut und frisch sein, mit wenig Aufwand verbunden. Ich esse gerne Gulasch, Nudeln mit einem Stück Fisch, Salat mit Fleisch - gute Grundzutaten, ohne viel Heckmeck. Die Freizeit ist ja doch rar.

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: