Süddeutsche Zeitung

Mensch und Tier:Bindung und Beziehung

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Viele haben sich in der Corona-Einsamkeit einen Hund zugelegt. Doch das richtige Miteinander will gelernt sein. In den lange geschlossenen Hundeschulen gibt es einiges nachzuholen

Von Julian Illig, Erding

"Dem Hunde, wenn er gut erzogen, wird selbst ein weiser Mann gewogen." So dichtet schon Goethe im Faust. Leider verriet er nicht, wie die Hundeerziehung im Corona-Lockdown vonstattengehen soll. Auch alle Hundeschulen hatten in den vergangenen Monate zu. Immer mehr Menschen versuchten jedoch, sich in der Corona-Einsamkeit mit einem Hundewelpen zu trösten. Die Leute hätten den Züchtern "die Hunde förmlich aus den Hände gerissen", beschreibt Sabine Löffler von der Hundeschule Löffler in Erding die Situation. Insbesondere Labradorwelpen seien gefragt. Tatsächlich stiegen die Zahlen an: Im Stadtgebiet Erding gab es vor zwei Jahren 1321 Hunde, 2020 waren es schon 1401. In Dorfen hielten zuletzt 659 Menschen einen oder mehrere Hunde, 20 mehr als im Jahr zuvor.

Für einen Welpen sind die ersten Lebensmonate für die Sozialisation entscheidend. Sie brauchen den Kontakt zu anderen Hunden, um sich an deren Ausdrucksverhalten gewöhnen. Passiere das nicht, könne es später nicht so leicht nachgeholt werden, sagt Marion Hartmann von der Hundeschule Hartmann in Forstern. "Die Basics fehlen. Wenn der Hund die nicht erfährt, wird er ängstlich und das kann in Aggression umkippen."

Aber auch für die Besitzer ist ein neuer Hund eine Herausforderung, die sie oft unterschätzen. Es führe oftmals zu Spannungen, wenn der Hund zum Beispiel alle Nachbarn anbelle, sagt Löffler. Hartmann schildert, dass sie sich in der Hundeschule oft wie eine Art Eheberatung vorkommt. "Die Menschen sollen den Hund verstehen und eine Beziehung zu ihm aufbauen." Da sei viel Vermittlungsarbeit notwendig und die war jetzt fast vier Monate lang nicht möglich. Seit wenigen Tagen ist wieder geöffnet, der Ansturm sei riesig, bestätigen beide Hundetrainerinnen.

Hartmann hatte zwar Online-Coachings angeboten. Doch "wahnsinnig viele haben es nicht gemacht", auch weil es für die Hundehalter wesentlich mehr Arbeit sei, als zu einer Stunde zu kommen. Zusätzlich fehlt hier der Kontakt zu anderen Hunden. Löffler weiß von Haltern, die die Erziehung aus DVDs oder Büchern lernen wollten. Bei Fragen allerdings können sich die Halter schlecht selbst helfen, so sei das auch nicht immer hilfreich gewesen.

Ein weiteres Problem sehen beide darin, dass durch die gesteigerte Nachfrage unseriöse Züchter Zulauf bekommen haben. Hier würden Welpen "billig, billig, billig aus dem Boden gestampft", beschreibt es Löffler drastisch. Die Bedingungen für die Hündinnen seien unwürdig, die Welpen würden früh von der Mutter getrennt, all das präge die Welpen in einer Weise, die später oft zu Konflikten führt. Auch in Hundeschulen sei die Erziehung dann oft schwierig, weil die Vorerfahrungen der Hunde nicht bekannt seien.

Um das zu vermeiden, empfiehlt Hartmann, sich vor dem Kauf eingehend beraten zu lassen, Hundeschulen oder auch Tierheime böten das an. In einem umfassenden Gespräch könne dann zum Beispiel geklärt werden, welche Rasse passend wäre, man hätte auch die Möglichkeit, den Hund kennenzulernen und eventuell ein paar Mal vor dem Kauf Gassi zu gehen. Hunde aus dem Tierheim seien eine gute Option, hier gäbe es genügend Hunde, die "auf ein neues Zuhause warten." So ließe sich auch vermeiden, dass Halter den Hund bald nach dem Kauf wieder zurückgeben, das sei für das Tier nämlich besonders stressig. Und vielleicht hilft gegen die Einsamkeit im Lockdown statt Hundewelpen kaufen auch einfach mehr Goethe lesen.

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SZ vom 22.03.2021
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