Medizin:Neues Konzept für Gerontopsychiatrie

Isar-Amper-Klinikum Taufkirchen stellt sich auf steigende Patientenzahlen in der Altersmedizin ein. Obwohl bereits ein Neubau geplant wird, soll dennoch die ambulante Versorgung weiterhin priorisiert werden

Von Thomas Daller, Taufkirchen

Altersmedizin wird in den kommenden Jahrzehnten eine große Rolle spielen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge nicht mehr im Berufsleben stehen, sondern beispielsweise anfällig für Demenzerkrankungen werden. Damit einhergehend werden auch die Patientenzahlen in der Gerontopsychiatrie steigen, die Menschen mit kognitiven Defiziten und Demenz, Depressionen, Angsterkrankungen sowie Psychosen und wahnhaften Störungen im Alter behandelt. Im Isar-Amper-Klinikum Taufkirchen hat man in den vergangenen zehn Monaten ein neues Konzept für die beiden gerontopsychiatrischen Abteilungen entwickelt, das am Mittwoch der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Darüberhinaus laufen bereits Planungen, eines der alten Klinikgebäude abzureißen und einen neuen Bau eigens für die Gerontopsychiatrie zu errichten.

Medizin: Zwei gerontopsychiatrische Abteilungen mit zweimal 20 Betten gibt es im Haus 8 der Klinik.

Zwei gerontopsychiatrische Abteilungen mit zweimal 20 Betten gibt es im Haus 8 der Klinik.

(Foto: Renate Schmidt)

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Der Pflegereport der Bertelsmann-Stiftung rechnet bundesweit bis 2030 mit einem Anstieg der Pflegebedürftigen um 50 Prozent von derzeit 2,6 Millionen auf 3,4 Millionen. Im Landkreis Erding geht der Altenhilfeplan von einem besonders hohen prozentualen Anstieg bei der Zahl der Demenzkranken aus, weil der Bevölkerungsanteil der Altersgruppe 75 Jahre oder älter im bayernweiten Vergleich aktuell noch relativ niedrig ist. Das wird auf Dauer nicht so bleiben.

Medizin: In der offenen Station im zweiten Stock beträgt die durchschnittliche Verweildauer drei bis sechs Wochen.

In der offenen Station im zweiten Stock beträgt die durchschnittliche Verweildauer drei bis sechs Wochen.

(Foto: Renate Schmidt)

Ralf Marquard, der neue Chefarzt des Isar-Amper-Klinikums Taufkirchen, sowie Pflegedienstleiter Rudolf Dengler passen das Klinikum dieser demografischen Entwicklung bereits an. "Klinik 2030" sei die Intention dabei gewesen, sagte Dengler. "Wir haben in den vergangenen zehn Monaten Konzeptarbeit gemacht; Mitarbeiter aller Berufsgruppen des Klinikums haben es gemeinsam erarbeitet."

Neben der stationären Behandlung biete das gerontopsychiatrische Zentrum auch die ambulant fachärztliche Behandlung sowie die aufsuchende Behandlung im Rahmen der Institutsambulanz an. "Grundsätzlich gilt ambulant vor stationär", sagte Marquard. Ein "multiprofessionelles Team" versorge mehrere Senioren- und Pflegeeinrichtungen. Besonders hervorzuheben sei die gegenseitige konzilärztliche Versorgung mit dem Klinikum Erding, die hervorragend laufe und die Taufkirchen in Zukunft gerne intensivieren möchte.

Medizin: Chefarzt Ralf Marqard setzt auf mehr ambulante Hilfe.

Chefarzt Ralf Marqard setzt auf mehr ambulante Hilfe.

(Foto: Renate Schmidt)

Mit einer Demenz-Diagnose ist man noch kein Fall für die Gerontopsychiatrie. Wenn allerdings Depressionen hinzukommen oder Suizidgedanken, ist ärztliche Hilfe ratsam. Oftmals, so Marquard, führe bereits eine Änderung der Medikamentation zum Ziel: Man stelle bei der Aufnahme häufig fest, dass Patienten über die Jahre hinweg 15 oder mehr unterschiedliche Medikamente verordnet bekommen hätten. "Allein das Absetzen oder Reduzieren dieser Medikamente führt häufig zu einer deutlichen Besserung", sagte der Chefarzt. Marquard betonte auch, dass sowohl der stationäre als auch der tagesklinische Therapieansatz eng mit dem einzelnen Betroffenen und seiner Situation abgestimmt sei. "Dabei gilt für uns, stets den Willen des Patienten zu respektieren. Noch wichtiger ist, mit welcher Wertschätzung wir unseren Patienten begegnen", sagte Marquard. "Manchmal hilft es, sich zu fragen, wie ich mich verhalten würde, wenn es sich um die eigenen Eltern oder Großeltern handeln würde oder wie ich selbst behandelt werden möchte, wenn ich im Alter den Platz getauscht habe." In diesem Zusammenhang erteilte Marquard den früher in der Gerontopsychiatrie gebräuchlichen Fixierungen eine Absage, die zur Vermeidung von Stürzen gedacht waren. Untersuchungen hätten ergeben, dass dadurch letztlich das Sturzrisiko erhöht werde. "Außerdem verstärken sich Unruhe und aggressives Verhalten." Mit dem Ziel, freiheitsentziehende Maßnahmen zu vermeiden, habe das Klinikum Taufkirchen gemeinsam mit dem Zentrum für Altersmedizin München-Ost einen Kompetenzzirkel gegründet, der geeignete Alternativen zu den oft traumatisch erlebten Fixierungen entwickele.

Pflegedienstleiter Rudolf Dengler wies darauf hin, dass die Pflege in der Gerontopsychiatrie sowohl aufwendiger als auch anspruchsvoller werde: "Das Klinikum hat darauf mit einer deutlich besseren personellen Ausstattung im Pflegebereich reagiert und auch ihr pflegerisches Leistungsangebot erweitert. Dazu gehört modernes pflegerisches Wundmanagement bis hin zu besonderen Angeboten wie basaler Stimulation und Aromapflege."

Eine Investition in die Zukunft stellt laut Dengler auch die Ausbildung von Gesundheits- und Krankenpflegerinnen an der Klinik Taufkirchen dar. "Die Stationen des Gerontopsychiatrischen Zentrums sind Ausbildungs- und Prüfungsstationen sowohl im Bereich der dreijährigen Ausbildung als auch im Rahmen der Pflegefachhelferausbildung." Dank der eigenen Krankenpflegeschule habe man stets ausreichend Mitarbeiter: "Ich möchte unsere Klinik im Bereich Pflege schon als eine Art Magnetkrankenhaus bezeichnen."

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