Markt Schwaben:Eine Brücke in den Beruf

Richard Betz will mit seinem Theater Schüler ermuntern, ihren eigenen Weg zu gehen

Von Franziska Spiecker, Markt Schwaben

Der Zimmermeister Richard Betz alias Paul Ballmer, gekleidet in die typische Kluft seines Handwerks aus schwarzem Hut, schwarzer Weste, schwarzer Hose und weißem Hemd, zeigt auf einen Wegweiser mit Holzschildern. "Lehre" steht da, "Hartz IV", "Master", "Bundeskanzler/in" oder "Meister". "Was es damit auf sich hat, erfahrt ihr gleich", sagt er und blickt in die Gesichter der Fünft- bis Achtklässler in einer vollen Turnhalle der Mittelschule in Markt Schwaben.

Sie ist eine von insgesamt 33 Schulen, in denen der Zimmermeister in diesem Frühjahr auf seiner vierten Bayern-Tournee sein Ein-Mann-Theaterstück "Mit Herz und Hand" aufführt. Finanziert und organisiert durch den Landesinnungsverband des Bayerischen Zimmererhandwerks, dient das Theater einer Berufsorientierung der besonderen Art: Betz ist - im echten Leben und auf der Bühne - Zimmermeister. Ein Job, den Jugendliche nur selten auf dem Schirm haben. In "Mit Herz und Hand" hält er aber nicht nur ein Plädoyer für Handwerksberufe, sondern stellt auch die übergeordnete Frage: "Wie finde ich meinen eigenen Weg im Leben?"

Für den Protagonisten des Stücks, Paul Ballmer, stellt sich diese Frage erst spät, lange schien sein Weg vorgezeichnet: Als begabter Matheschüler wird er von seinem Lehrer früh auf ein Eliteinternat verfrachtet, nach anschließendem Wirtschafts- und Mathematikstudium steht einer Karriere als Investmentbanker nichts mehr im Wege. Doch erst nachdem Ballmer einen tiefen Absturz überstanden und über Umwege und einen alten Freund zur Zimmerei gefunden hat, beginnt er, an sich zu glauben und zu träumen. "Etwas nur für's Geld zu machen, das reicht nicht", resümiert der 50-Jährige Zimmerermeister Ballmer, während er vor den Schüleraugen mit sichtlicher Zufriedenheit eine Holzbrücke zimmert.

Seine Säge bohrt sich ins Holz, Späne fliegen und Betz alias Ballmer bezieht die Schülerinnen und Schüler immer wieder ins Geschehen ein: "Habt ihr schon einmal was gebaut?", fragt er, mehrere Finger schießen in die Höhe. "Einen Seilzug", antwortet ein Junge, auch "eine Futterstelle für Vögel", "einen Schrank" und Vogel-, Garten-, und Baumhäuser werden genannt. Es sei ein Schmarrn, echauffiert sich der Protagonist, dass seit über 30 Jahren gepredigt würde: "Wer nicht studiert, hat schon verloren." Es gebe über 130 verschiedene Handwerksberufe und "einen guten Handwerker brauchst du überall auf der Welt."

Gerade die jüngeren Schülerinnen und Schüler der Grafen-von Sempt-Mittelschule zeigen großes Interesse an Betz' Handwerk: "Was ist das größte Ding, was du je gebaut hast?", fragen sie ihn nach der Aufführung, und: "Wie viele Häuser hast du schon gebaut?" Betz freut das, verweist aber auch darauf, dass er merke: "je näher ich an der Großstadt bin, desto weiter weg ist das Handwerk". Auch auf Berufsinformationsveranstaltungen kommt das Handwerk laut dem Zimmermeister meist zu kurz, obwohl es "total an Arbeitskräften fehlt".

Dass Betz auf der Bühne stehen und dem entgegen wirken kann, verdankt er nach eigenen Angaben "einer Schnapsidee". Sie begann vor fünf Jahren mit einem Festival zum 200-jährigen Jubiläum der Brüder Grimm. Betz, selbst wohnhaft "im Märchenland der Brüder Grimm" in Kassel, hatte die Idee, einen Wanderburschen, dessen Werte es ebenfalls seit 200 Jahren gebe, "Hans im Glück" erzählen zu lassen. So gelang der Zimmermeister zum ersten Mal auf die Bühne. Da er in seiner Zimmerei selbst gerne Jugendliche ausbildet und sich dachte: "es kann nicht sein, dass niemand den Beruf kennt", entstand kurz darauf die Idee für "Mit Herz und Hand". Das Stück, geschrieben von Michaela Bochus-Hirsch und entwickelt unter der künstlerischen Leitung von Ann Dargies, entspricht zum Teil der Lebensgeschichte des Zimmermeisters Betz, der selbst erst Architektur studierte, bevor er im Handwerk seine wirkliche Erfüllung fand.

Steht er als Paul Ballmer auf der Bühne, so versucht er diesen Mut, seine Träume zu verfolgen und sich seinen Ängsten zu stellen, an die jungen Schülerinnen und Schüler weiterzugeben. "Finde dich heraus und du erfindest dich selbst" - diesen Rat bekommt die Kunstfigur Ballmer von einem Freund. Um sicherzugehen, dass er tatsächlich verstanden wurde fragt Betz nach dem Stück: "Wer kann mit dem Spruch etwas anfangen?" Man muss herausfinden, welcher Job zu einem passt, erwidert ein Junge. Betz nickt und um das herauszufinden, so ergänzt er: "muss man es selbst ausprobieren."

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