"Man kann hier die Geschichte vorüberziehen sehen.":Grüne Welle fürs Gemeine Leinkraut

Bei Niederding steht eine ungewöhnliche Hügelformation: Das Geotop "Moosmax". Seine Tuffablagerungen zeugen von der Entstehung des Sempttals. Das Naturdenkmal bietet seltenen Pflanzen und Tieren eine Heimat

Von Regina Bluhme, Wörth

Der Radweg von Erding nach Wörth führt durch das Sempttal an meterhohen Maisfeldern vorbei. Auf Höhe Niederwörth erheben sich plötzlich mitten in der Ebene kleine grüne Wellen. Hier liegt das Geotop "Moosmax". Die Geschichte der Hügel beginnt vor mehr als 10 000 Jahren, als hier nach der Eiszeit ein gewaltiger Strom durchs Land floss. Heute sind die Buckel ein geschütztes Naturdenkmal, das zudem seltenen Pflanzen und Tieren eine Heimat bietet. Doch die Idylle ist bedroht - ausgerechnet durch einen Hochwasserschutzwall.

Reinhard Sommerer war 24 Jahre lang Ortsvorsitzender des Bund Naturschutz in Wörth. Viele Male hat er Führungen zum Geotop geleitet. Sommerer ist ein geübter Erzähler, anschaulich berichtet er, wie die Hügel entstanden sind: Nach Ende der letzten Eiszeit sind gewaltige Wassermassen durch die Landschaft geflossen, "sie wurden auch als Urstrom bezeichnet", informiert er. Im Laufe der Zeit haben sich auf den durchnässten Böden Quellen ihren Weg nach oben gesucht. Dort, wo das kalkhaltige Wasser an die Oberfläche trat und mit Sauerstoff in Verbindung kam, wurde Kalk ausgefällt. So wuchsen die Buckel heran. Der Kalk umkrustete auch die Vegetation, schloss zum Beispiel Blätter ein. Noch heute bröckeln helle, poröse Stücke aus den grasbedeckten Hügeln.

"Man kann hier die Geschichte vorüberziehen sehen.": Reinhard Sommerer hat schon viele Besucher zu den grünen Hügeln des Geotops "Maxmoos" geführt.

Reinhard Sommerer hat schon viele Besucher zu den grünen Hügeln des Geotops "Maxmoos" geführt.

(Foto: Renate Schmidt)

Ganz offiziell handelt es sich bei dem Geotop "Moosmax" um "eine auffallend wellige Erhebung eines Kalktuffhügels", berichtet Anton Euringer sen. "Moosmax war mein erstes Geotop", erinnert sich Euringer, der lange Jahre Naturschutzreferent des Landkreises Erding war. 1979 wurde der Kernbereich der Tuffhügel unter Naturschutz gestellt. Das ursprüngliche Gebiet beläuft sich auf 1,2 Hektar. Mittlerweile hat der Landkreis aber weitere Flächen zugekauft. Nach Angeben von Anton Euringer dürften es derzeit "etwa 7,5 Hektar Flächen für den Naturschutz sein". Die Große Kreisstadt Erding hat laut Reinhard Sommerer zudem in der Nachbarschaft eine Ausgleichsfläche angelegt.

Bei den grünen Hügeln herrscht eine ganz eigene Atmosphäre. Grillen zirpen, es riecht nach Thymian, Schmetterlinge flattern umher, der eine zartgelb, der andere mit orangen Punkten, "ein Heufalter und ein Aurorafalter", informiert Reinhard Sommerer. Es ist Ende August, das Gelände ist abgemäht. Doch hier und da leuchtet eine Karthäusernelke in pink, auch Wiesenglockenblumen, Weißes Labkraut, das Gemeine Leinkraut, der Kleine Klappertopf und die Acker-Witwenblume haben sich gehalten. Bis vor dem Mähen wuchsen hier auch Orchideen und Enzian.

"Man kann hier die Geschichte vorüberziehen sehen.": Auf dem Gelände wachsen Orchideen, Enzian und auch das Gemeine Leinkraut.

Auf dem Gelände wachsen Orchideen, Enzian und auch das Gemeine Leinkraut.

(Foto: Renate Schmidt)

"Die hier vorkommenden Kalkmagerrasen mit seltensten Tier- und Pflanzenarten sind von überregionaler Bedeutung", sagt Anton Euringer. Dem kann Sommerer nur zustimmen: "Wo können Sie heute noch eine Birkhuhnfamilie vorbeilaufen sehen?"

Bei der Frage nach der Entstehung des Namens Moosmax müssen Sommerer und Euringer passen. "Ich denke, aber das meine freie Definition, dass hier ein Max eines der ersten Gehöfte in der Gegend bewohnt hat, der Moos Max", sagt Euringer.

Für Reinhard Sommerer ist das Geotop noch aus einem anderen Punkt von großer Bedeutung: "Man kann hier die Geschichte vorüberziehen sehen." Seine Zuhörer können sich richtig vorstellen, wie hier die Wassermassen einst durch die Ebene rauschten, wie die Menschen sich ansiedelten, wie sich die Moose und Böden entwickelt haben. "Weil hier ein so weiter Raum ist, kommt man auch gut zum Denken", sagt Sommerer und streckt den Arm aus. Rundum sei der Blick frei, zum Beispiel auf Erding oder Wörth, auf ältestes bayerisches Besiedlungsgebiet.

"Man kann hier die Geschichte vorüberziehen sehen.": Die gewellte Kalkformation ist als Naturdenkmal ausgewiesen

Die gewellte Kalkformation ist als Naturdenkmal ausgewiesen

(Foto: Renate Schmidt)

Doch nun fürchtet Sommerer um diesen freien Blick. Denn im Bereich von Niederwörth ist ein vier Meter hoher Hochwasserdamm geplant. Noch sind die Pläne nicht in trockenen Tüchern, im Oktober will das Wasserwirtschaftsamt München seine Entscheidung bekannt geben. Sommere ist überzeugt, dass der vier Meter Damm dem Geotop seine einzigartige Atmosphäre nimmt. Das Naturdenkmal brauche Weite, "gegen den Wall können die Hügel nur banal wirken", ist er überzeugt. Er plädiert dafür, die Schönheit der Landschaft zu erhalten, sofern es Alternativen zu dem Wall gebe. Der Naturschützer verweist auf die Lehmböden des Geotops "und in der Nachbarschaft werden dann Spundwände aus Beton in den Boden gerammt - das tut weh."

"Alle singen die Hymne auf das schöne Bayernland, auch auf das Sempttal", sagt Sommerer zum Schluss. "Moosmax" sei eine eigene kleine Welt, "die wir behüten müssen". Er sieht die Hügellandschaft al weitere Attraktion für Erdinger Gäste "neben der Therme und den vielen Gasthäusern und Cafes." Allerdings warnt Reinhard Sommerer schon mal künftige Besucher vor: "Moosmax" sei ein geschütztes Naturdenkmal, das bitte behutsam behandelt werden solle. Also: Immer schön auf den Wegen bleiben und "Busladungen, die durchs Gelände rumpeln, das geht natürlich nicht."

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