Frauenfußball im Landkreis Erding:"Ich hoffe, dass die EM nachhaltig ist"

Frauenfußball im Landkreis Erding: Das Team der Spielgemeinschaft FC Lengdorf/FC Hörgersdorf/TSV St. Wolfgang vor dem Spiel gegen den FC Langengeisling, das sie mit 4:2 gewonnen hat.

Das Team der Spielgemeinschaft FC Lengdorf/FC Hörgersdorf/TSV St. Wolfgang vor dem Spiel gegen den FC Langengeisling, das sie mit 4:2 gewonnen hat.

(Foto: Renate Schmidt)

Die Fußball-EM der Frauen in England hat Zuschauer-Rekorde geschrieben, auch die Vereine im Landkreis Erding wollen davon profitieren. Sie suchen nach kreativen Lösungen, um den Frauen- und Mädchenfußball populärer zu machen.

Von Niklas Behnke, Lengdorf

Noch nie haben so viele Deutsche ein Frauen-Fußballspiel im Fernsehen verfolgt wie bei der Fußball-EM 2022 in England: 17,897 Millionen Menschen sahen sich das Finale an. Das ergab einen Marktanteil von 64,8 Prozent. Trotz der Niederlage wurde die EM in Deutschland mit Begeisterung wahrgenommen. Die Vereine hoffen nun, dass sich die Euphorie auch auf den Alltag im Frauen- und Mädchenfußball übertragen wird. In den vergangenen Jahren gab es kein großes Wachstum. Im Landkreis Erding ist die Situation ambivalent. Immerhin: Die Orte Lengdorf, Hörgersdorf und St. Wolfgang bilden eine erfolgreiche Spielgemeinschaft, in Isen wird eine Mädchenmannschaft neu gegründet und der FC Forstern spielt seit Jahrzehnten bei den Großen mit.

Deutschlandweit ist die Zahl der aktiven Spielerinnen von 2016/17 bis zur Saison 2021/22 leicht gesunken, größtenteils bei den Juniorinnen. Im Landkreis Erding habe die Zahl der Mädchenmannschaften dagegen leicht zugenommen, schildert Birgit Schauer, Kreisbeauftragte für Frauen- und Mädchenfußball des Bayerischen Fußballverbandes im Bezirk Donau/Isar, zu dem auch der Landkreis Erding gehört. Dies hänge stark vom jeweiligen Landkreis ab. Zum Beispiel sei die Situation im Osten Niederbayerns schwierig, während in Oberbayern ein leichtes Wachstum zu verzeichnen sei. Im Landkreis Erding gebe es vor allen im unteren Jugendbereich, der U11 und U13, zu, aber auch bei den älteren Juniorinnen einen leichten Zuwachs. So existierten 15 Mädchenteams in der C-Jugend, erzählt Birgit Schauer. In vielen Vereinen gibt es jedoch deutlich mehr Jungs- als Mädchenteams, in anderen Vereinen noch gar kein Mädchenteam.

Die Spielgemeinschaft als Erfolgslösung

Ein Verein, der in den vergangenen Jahren eine große Mädchen- und Frauenabteilung aufgebaut hat, ist der FC Lengdorf. Seit mehreren Jahren stellt der Verein bereits eine gemeinsame Frauenmannschaft mit dem FC Hörgersdorf. Zu viele Spielerinnen hätten aber in jüngster Zeit aufgehört, sagt Markus Schorer, langjähriger Trainer der Mädchenmannschaft beim FC Lengdorf. In der vergangenen Saison hat sich dann der TSV St. Wolfgang der Spielgemeinschaft angeschlossen. Sportlich ging es seitdem bergauf. Nach dem Zusammenschluss der drei Vereine hat die Spielgemeinschaft kein Spiel mehr verloren, nur der erstplatzierte FC Schwaig war in der Rückrunde noch besser.

Der FC Lengdorf setzt auf seine erfolgreiche Jugendarbeit, die Markus Schorer vierzehn Jahre lang begleitet hat. Dass sich die Jugendarbeit auszahlt, zeigt nicht nur das gute Rückrundenergebnis, sondern auch das Interesse anderer Vereine an den Spielerinnen des Vereins: "Versuche der Abwerbung sind immer da". Eine herausragende Rolle für den Jugendfußball in Lengdorf spiele auch Jugendkoordinatorin Venja Quast. "Ohne sie würde es in Lengdorf nicht so boomen", sagt Markus Schorer. Sie habe es geschafft, viele Mädchen für den FC Lengdorf durch Schulbesuche oder Schnuppertrainings zu begeistern.

Auch Birgit Schauer betont die Bedeutung von Einzelpersonen, die sich für den Mädchenfußball einsetzen. Die Anzahl der Spielerinnen "steht und fällt mit einzelnen Persönlichkeiten im Verein". Wichtig sei zudem die "Mundpropaganda" von Spielerinnen, die bereits Vereinsmitglieder sind, sagt Schorer. Ferner könnten durch Trainingslager oder Team-Aktivitäten, die auch außerhalb des Fußballs stattfinden, der Zusammenhalt und somit die Begeisterung gestärkt werden. Dies sei ein Schlüssel, um neue Mitglieder zu gewinnen. Aktuell befänden sich mit etwa 80 Juniorinnen mehr Mädchen als Jungs im Verein.

Die Leidenschaft für den Fußball ist da, sie muss aber gefördert werden

Anders sieht dies beim TSV Isen aus. Dort befindet sich derzeit eine Mädchenmannschaft in der Gründungsphase. Bisher seien Spielerinnen aus Isen unter anderem zum FC Lengdorf gegangen, weil es kein eigenes Team gab, schildert Schiller Modjeu-Kinne, Trainer der neuen Mannschaft. Andere spielten bei den Jungs in der Jugend mit und viele hätten bis jetzt gar nicht erst mit Fußball angefangen. Aus diesen Gründen bestehe Potenzial für eine neue Mannschaft. Die Sorge, dass sich Vereine gegenseitig Spielerinnen wegnehmen könnten, sei nicht berechtigt, meint Birgit Schauer. Durch Neugründungen von Mädchenteams entstehe ein "Schneeballsystem", das weitere Neustarts begünstige. Aufgrund kürzerer Fahrtwege sei dann die Motivation höher, mit Fußball zu beginnen.

Frauenfußball im Landkreis Erding: Schiller Modjeu-Kinne steht vor dem Sportplatz des TSV Isen.

Schiller Modjeu-Kinne steht vor dem Sportplatz des TSV Isen.

(Foto: Renate Schmidt)

Bis jetzt ist in Isen zwar aufgrund der zu geringen Anzahl an Spielerinnen noch keine Ligateilnahme möglich, doch dafür stehen Freundschafts- oder Trainingsspiele in Aussicht. Die bisherigen Spielerinnen "kommen gerne zum Training" und "sind begeistert". Beim Kinderfußballtag sei der Andrang "sehr groß" gewesen, so Modjeu-Kinne. Die Leidenschaft für den Fußball sei auf jeden Fall da. Einige Mädchen würden auch "einfach mal in der Freizeit auf dem Bolzplatz den Ball mitnehmen und kicken". Modjeu-Kinne sieht jedoch die bisherige Anzahl an Trainern und insbesondere an Trainerinnen als ein Problem. Trainerinnen, die auch selbst als Spielerinnen aktiv waren, könnten als Vorbilder dienen.

"Vorbild ist die Alexandra Popp"

Der FC Forstern hat bereits seit den Siebzigern eine Frauen- und Mädchenmannschaft und dies auch sehr erfolgreich. Die Frauen spielen in der Saison 2022/2023 in der Bayernliga, der vierthöchsten Liga.

Frauenfußball im Landkreis Erding: 2019 spielte die Damenmannschaft des FC Forstern gegen den SC Freiburg in der zweiten Runde des DFB-Pokals, verlor jedoch zuhause mit 1:6.

2019 spielte die Damenmannschaft des FC Forstern gegen den SC Freiburg in der zweiten Runde des DFB-Pokals, verlor jedoch zuhause mit 1:6.

(Foto: Renate Schmidt)

Die erste Mädchenmannschaft der B-Jugend spielt zwar auch in der Bayernliga, doch ist diese für den Juniorinnen-Bereich die zweithöchste. Der FC Forstern und der FC Moosinning bilden in der Jugend eine Spielgemeinschaft. Vera Funk ist in der zurückliegenden Saison aus Markt Schwaben zur B-Jugend gewechselt. In Markt Schwaben hatte sich das Team aufgelöst wegen fehlender Spielerinnen. Die Bayernliga ist nun eine neue Herausforderung: "Jeder hat richtig Bock zu kicken und zu gewinnen", freut sie sich.

Anfang August hat sie mit ihrem neuen Team am internationalen Norway Cup teilgenommen. Solche Events seien für sie sehr wichtig, da "Fußball mit Vertrauen zusammenhängt." Dadurch habe sie sich gleich gut ins Team einfügen können und außerdem habe man "mehr Spaß am Fußball, wenn man mit Leuten zusammenspielt, mit denen man befreundet ist". Darin sehe auch sie eine Chance, Nachwuchs-Spielerinnen langfristig an den Fußball zu binden. In der nächsten Saison wolle die B-Jugend wieder oben mitspielen in der Bayernliga, meint Vera Funk.

Den günstigen Moment nach der EM gelte es jetzt zu nutzen, fordert Birgit Schauer: "Ich hoffe, dass die EM nachhaltig ist". Die Sichtbarkeit von Frauen- und Mädchenfußball müsse anhalten. Darin sind sich alle einig. "Social Media spielt eine sehr große Rolle", sagt Vera Funk. Schiller Modjeu-Kinne meint ferner, dass die Begeisterung für den Frauenfußball davon abhänge, ob er im Fernsehen zu sehen sei. Zudem brauche es Vorbilder. Ein Vorbild für Spielerinnen ist für Markus Schorer zum Beispiel "die Alexandra Popp". Vera Funk meint hingegen, sie habe kein explizites Idol in der deutschen Nationalmannschaft, sie hoffe aber, dass Frauen gleich viel Ansehen wie Männer erhalten, wenn sie Fußball spielen - ganz egal, ob in den Stadien oder auf dem Bolzplatz.

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