LVNG im Sonic:"Alles um uns herum war Musik"

LVNG im Sonic: Die Band hat sich über ihre Indie-Anfänge hinaus entwickelt. Johannes, Katrin, Karlo, Simon und Katharina (von links) klingen nun wesentlich elektronischer, geheimnisvoller, erwachsener.

Die Band hat sich über ihre Indie-Anfänge hinaus entwickelt. Johannes, Katrin, Karlo, Simon und Katharina (von links) klingen nun wesentlich elektronischer, geheimnisvoller, erwachsener.

(Foto: Andreas Strunz/oh)

Nach inspirierenden Erfahrungen auf Festivals und im Studio feiert die Band den Abschluss der "Kimono"-Tournee in Erding

Von Philipp Bovermann, Erding

Sie wollten raus - oder vielmehr: rein. Rein in die Welt, in die "pulsierenden Großstädte", ins "Kosmopolitische", so schreiben es LVNG über ihre im Sommer erschienene Platte "Kimono". Man wird sie auch hören können, am Samstagabend im "Sonic", die Sehnsucht nach der Entgrenzung, nach dem Spiel mit den Identitäten unterm Neonlicht. Die Band mit den Erdinger Wurzeln hat sich über ihre Indie-Anfänge hinaus entwickelt. Sie klingt nun wesentlich elektronischer, geheimnisvoller, erwachsener.

Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass die zwei Mädels und drei Jungs, aufgewachsen in Neufinsing und Eichenried, den Tassilo-Kultur-Preis 2016 der Süddeutschen Zeitung gewannen. Ein Jahr später folgte dann gleich der nächste Hammer: Beim Newcomer Contest Bayern räumten sie ab - und katapultierten sich damit in einen internationalen Kreativ-Pool von Bands, die ebenso jung und talentiert waren wie sie selbst. Sie durften zum "Envol et Macadam"-Festival im kanadischen Quebec fliegen und dort, bevor es zum Reeperbahn Festival in Hamburg weiterging, mit den anderen Gewinnern von internationalen Newcomer-Wettbewerben auftreten.

"Alles um uns herum war Musik", schwärmt Katharina Würzberg, die Keyboarderin der Band. Dort, auf der Bühne in Kanada, umgeben von anderen jungen Menschen, die ebenfalls nur Musik im Kopf haben, konnten LVNG das tun, wonach sich auch ihre Musik zu sehnen scheint: "Sich mit der ganzen Welt verbinden und nette Menschen kennenlernen."

Diese ganz spezielle Mischung aus hochtrabenden metaphysischen Gefühlen - "sich mit der ganzen Welt verbinden" - und einer heiteren Bodenständigkeit - "nette Menschen kennenlernen" - zeichnet die DNA der Band aus. Neben dem Gitarristen besteht sie aus zwei Geschwisterpaaren. LVNG ist also eine Art Familienbetrieb, und wie ein solcher ist die Band auch gewachsen: Langsam und beharrlich. Im frühen Teenageralter haben sie begonnen, zusammen Musik zu machen, vier davon als Schüler des Korbinian-Aigner-Gymnasiums. Im Verlauf ihrer musikalischen Entwicklung fielen irgendwann die Vokale aus dem ursprünglichen Bandnamen The Living heraus. Da wollte offenbar etwas Weiches, Kindliches abgestreift werden.

Seit vergangenem Jahr steht nun LVNG - weiterhin gesprochen wie "living", also auf Englisch "leben" - ohne vorgeschobenes "The" frei, so als würde es schweben. Durch die monolithische Kühle der verbliebenen Konsonanten weht eine tiefe Sehnsucht in die Musik hinein. Nicht mehr Gitarren, sondern basswuchtig in die Stille hineindrängende Klangflächen aus dem Synthesizer bauen nun die akustischen Räume auf. Wie ein Tänzer durch Lichtkegel bewegt sich die Soulstimme von Sänger Karlo Röding durch sie hindurch. Aber immer scheint sich noch etwas unhörbar in der Dunkelheit jenseits der synthetischen Lichtkegel zu verbergen. Was das sein könnte, davon gibt das Video des aktuellen Songs "August" eine Idee. Die Bandmitglieder tragen darin metallisch glänzende Masken und bewegen sich einzeln durch eine fernöstliche Großstadt bei Nacht. Durch deren düstere Gassen wandelt auch eine Unbekannte im Kimono. Bei einem nach dem anderen taucht sie plötzlich auf und reißt ihnen die Masken von den Gesichtern. Nicht überfallartig, sondern wie ein Eingriff einer zärtlichen, höheren Macht.

"Kimono", so heißt die EP, die LVNG im Sommer veröffentlicht haben. Ihr neuer Stil zeugt vom Wunsch, eine Art Roboter aus purem Gefühl zu werden und alles Menschliche - oder für den Anfang alles Dörfliche - hinter sich zu lassen. Aber als sie dieses pure Gefühl dann zu greifen kriegen, pflückt es ihnen die verheißungsvolle Anonymität und Künstlichkeit gleich wieder vom Leib. Zurück bleibt, wie nach jeder Reise in ferne, geheimnisvolle Länder, die Erkenntnis, wer man ist. Insofern passt es ganz gut, dass ihre "Kimono"-Tournee die Band zum Abschluss dorthin führt, wo sie hergekommen ist: Nach Erding.

LVNG, Samstag, 8. Dezember, 19.30 Uhr, Jugend- und Kulturhaus Sonic, Dorfener Straße 13.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: