Lnadgericht Landshut:Theorien vom unbekannten Täter

Prozess gegen Frauenarzt: Angaben des Angeklagte deutet auf einen Mister X - die Ermittler halten nichts davon

Von Florian Tempel, Landshut

Der wegen Totschlags an seiner zweiten Ehefrau angeklagte Frauenarzt Michael B. streitet bekanntlich die ihm zur Last gelegte Tat vehement ab. Der 57-Jährige sagt aber nicht nur, dass er nichts mit dem gewaltsamen Tod seiner Frau zu tun hat. Er hat auch von mehreren Details berichtet, die auf die Existenz eines unbekannten, wahren Täters hinweisen. Laut der Darstellung des Angeklagten gab es drei Sonderbarkeiten, die ihm aufgefallen seien, als er am Abend des 3. Dezember 2013 nach Hause kam und dann im Bad seines gemieteten Reihenhauses im Erdinger Stadtteil Pretzen die Leiche seiner Frau fand: Erstens sei die Haustür nicht wie gewöhnlich mit dem Schlüssel abgesperrt gewesen, so wie das seine Frau immer getan habe, auch wenn sie daheim war. Zweitens habe das Gartenlicht nicht gebrannt. Und drittens sei die Terrassentür im Wohnzimmer einen Spalt weit aufgestanden.

Der erste und der letzte Punkt sind bemerkenswert. Denn aus ihnen ließen sich ganz leicht bestimmte Schlussfolgerungen ziehen. Wenn der Angeklagte unschuldig ist und entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft seine Frau nicht umgebracht hat, dann weisen seine in diesem Fall wohl korrekten Beobachtungen auf etwas Tatsächliches hin. Zum Beispiel: Der wahre Täter ist vom Opfer durch die Haustür eingelassen worden und später durch den Garten geflüchtet - oder es war anders herum, der unbekannte Mister X kam heimlich durch den Garten und ging durch die Vordertür. So oder so würde es passen. Und außerdem wurden ja auch Spuren unbekannter männlicher DNA an der Leiche gefunden, die bislang noch niemandem zugeordnet werden konnten.

Andere Umstände passen aber überhaupt nicht zur Theorie eines unbekannten Dritten. Die Spurensicherer der Kripo Erding sind zwar wegen der anfänglichen Fehleinschätzung, die Frau sei durch einen unglücklichen Sturz ums Leben gekommen, erst reichlich spät am Tatort zum Einsatz gekommen. Man habe sich bemüht, "zu retten, was zu retten war", sagte einer der Spurensicherer vor Gericht, "weil der Tatort ja bereits gereinigt wurde". Doch eines konnten die Kriminalbeamten auf alle Fälle feststellen: Es gibt nicht den geringsten objektiven Anhaltspunkt dafür, dass ein Unbekannter im Haus war. An den Türen gibt es keine Fingerabdrücke oder sonstige verwertbare Spuren.

Ein eiskalter Räuber, der erst die Frau umgebracht und danach den Tatort geputzt hat - dass das Bad schon vor dem Eintreffen der Polizei bereits einmal geputzt wurde, steht fest -, hätte gewiss irgendetwas als Beute mitgehen lassen. Im Haus gab es genug Stehlenswertes, wie die Beamten der Spurensicherung vor Gericht darlegten. Im Arbeitszimmer lagen gut 5000 Euro Bargeld in einem roten Pappkarton in einem Regal, einfach so. Weitere 8000 Euro befanden sich in einem Aktenordner. Außerdem waren Schmuck und teure Uhren zu finden. Und in der Handtasche der Getöteten, die an der Garderobe hing, waren immerhin 145 Euro, die sich der Täter schnell hätte einstecken können.

Ein Raubmord scheidet mit größter Wahrscheinlichkeit auch deshalb aus, weil es keine Spuren eines gewaltsamen Eindringens gibt, weder an der Haustür, noch an der Terrassentür. Das Opfer müsste also den Täter selbst hereingelassen haben. Da die Frau allerdings viel Angst vor Einbrechern und Dieben hatte, müsste es sich um einen Bekannten gehandelt haben. Der Angeklagte hat sogar einen ganz konkreten Verdacht geäußert und gesagt, er halte den Bruder seiner getöteten Frau für verdächtig.

Die Polizei hält nichts von alledem. Die Ermittler gehen davon aus, dass vielmehr die Angaben des Angeklagten zur unversperrten Haustür und zur offenen Terrassentür nicht stimmen und nur von ihm selbst ablenken sollen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: